Wortlos: Peter Nachtigalls fünfter Fall (German Edition)
hatte.
»Peter?«, fragte Couvier.
»Haben wir schon einmal dran gedacht, dass
der Täter Claudine sehr gut kennen musste, um auch über ihr Umfeld Bescheid zu wissen?
Offensichtlich weiß er doch auch, dass, was immer er sucht, nicht bei Frau Treschker
versteckt ist. Das würde so manches erklären. Zum Beispiel: Schrie sie nicht um
Hilfe, weil sie die Situation falsch einschätzte? Weil ihr der Täter gut bekannt
war? Fuhr Hagen deshalb ohne Angst zu dem Treffpunkt? Weil ein Freund ihn um ein
Treffen bat?«
Betroffenheit spiegelte sich in allen Gesichtern.
»Du hältst es für möglich, dass einer der
befreundeten Studenten die beiden Morde begangen hat? Aber aus welchem Grund? Und
wieso verstümmelt er sie?«
»Nüchtern betrachtet, bleibt nur ein simpler
Mord, wenn wir die Verstümmelungen außer Acht lassen. Morde aus persönlichen Gründen
– und durch die postmortalen Handlungen wird plötzlich ein ganz anderer Fall daraus.«
Skorubski war schockiert.
»Denkbar. Aber wo sind dann die Augen usw.?
Das Amulett? Wir könnten morgen die Zimmer durchsuchen«, sagte Michael Wiener voller
Tatendrang.
»Wer auch immer diese Morde begangen hat
– er wird wohl kaum Beweismaterial bei sich zu Hause lagern«, nahm Nachtigall dem
jungen Mann den Wind aus den Segeln.
»Vielleicht kannte er sie nur nicht gut
genug, um von der Tante zu wissen? Wäre das nicht ebenfalls denkbar?«, fragte Couvier,
und die Runde seufzte kollektiv.
»Wo ist eigentlich Jens Schubert?«
Es klopfte, und Dr. März trat ein.
»Alle bei der Arbeit. Gut. Mit so viel Einsatz
werden Sie den Fall sicher bald gelöst haben. Ach, allerdings werden Sie dabei auf
die Mitarbeit von Herrn Schubert verzichten müssen. Er wurde abgezogen, der ausländerfeindliche
Hintergrund scheint sich ja eher nicht zu bestätigen. Das BKA hätte Schubert ohnehin
entbunden – gegen ihn wurde aus einem mir nicht bekannten Grund ein Disziplinarverfahren
eingeleitet. Nun, ja«, er räusperte sich. »Leider bedeutet das auch, dass Herr Couvier
nur noch in seiner Freizeit mitarbeiten kann. Auch er wurde gestrichen, wenn ich
das mal so salopp ausdrücken darf. Herr Couvier, Sie sollen sich wieder ganz dem
Fall Sybille zuwenden.«
Er nicke kurz in die Runde und verschwand.
Wie sie es auch wendeten, sie drehten sich im Kreis.
Als Peter Nachtigall auf dem Heimweg war,
spürte er eine tiefe Unzufriedenheit. Er hatte die Streifen in den Wohngebieten
der Studenten verstärken lassen. Mehr konnte er nicht für sie tun. Ihre Überlegungen
waren noch viel zu spekulativ, um konkretere Maßnahmen genehmigt zu bekommen. Beate
Michaelis hatte er dennoch eine Beamtin zum Schutz angeboten. Aber die jungen Frauen
von heute waren so unendlich selbstbewusst. Er zuckte mit den Achseln.
Sollten sie wirklich zur Untätigkeit verdammt
sein, bis dem Täter bei seinem dritten, vierten, fünften Opfer ein gravierender
Fehler unterlief und sie endlich auf seine Spur kämen?
43
Conny und Jule hatten einen knackigen Salat zubereitet
und brieten gut gelaunt Putenstreifen an. Im Backofen wartete ein Baguette darauf,
knusprig zu werden.
Nachtigall schnupperte.
Casanova und Domino drängten sich an seine
Beine, jeder bestrebt, den anderen in seinen Schmeicheleien zu übertreffen.
»Na, so begrüßt man den Herrn des Hauses
richtig«, lobte er die beiden und strich gerecht verteilt über beide Rücken, kraulte
hinter vier Ohren und fragte dann liebevoll: »Na? Wollen euch denn die beiden Damen
nichts abgeben? Pute? Hähnchen?«
Domino schnurrte zart, während Casanova
deutlich maunzte. Er dachte gar nicht daran zu betteln, das war eindeutig seiner
Position in dieser Familie nicht angemessen. Er forderte.
Zu dritt betraten sie die Küche.
»Hallo meine Schönen!«, begrüßte Nachtigall
seine Damen und wurde liebevoll umarmt.
»Was gibt es denn hier, das ihr nicht mit
den Katzen teilen wollt?«
»Oh – haben sie das behauptet?«, fragte
Conny und prustete entrüstet in Casanovas Richtung. »Du bist ein Strolch! Wenn ich
das geahnt hätte! Habt ihr beide nicht längst probiert?«
Die Katzen sahen Conny aus großen Augen
voller Unverständnis an.
Nachtigall schob sich unauffällig zwischen
die beiden Kochenden und den Herd. Ohne zu zögern angelte er hinter seinem Rücken
zwei Putenstückchen aus der Pfanne, verbarg die überraschend heißen Fleischstreifen
in der hohlen Hand und verzog dabei tapfer keine Miene.
»Conny und ich werden eurem Beispiel folgen und
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