Wortlos: Peter Nachtigalls fünfter Fall (German Edition)
Gegenstand.
Die Wohnung wurde auch nicht zum Schein verwüstet, sondern systematisch durchsucht.
Und es muss sich um etwas sehr Kleines handeln. Der Täter vermutete es sogar unter
dem Teppich!«
»Das Amulett scheidet aus! Ich habe Frau
Treschker ang’rufe’. Sie hat g’sagt, es sei sogar ziemlich massig g’wesen, weil
es aus einem Stück Holz g’schnitzt sei. Sie schätzt es war circa drei Zentimeter
dick, vielleicht sogar mehr«, erklärte Wiener.
»Der Täter sucht diesen Gegenstand verzweifelt.
Er begeht dafür Morde, durchsucht die Wohnungen, wird nicht fündig. Er verliert
die Nerven und zertrümmert das Gesicht der jungen Frau, statt es bei den schon bekannten
Verstümmelungen zu belassen. Er gerät unter Druck – so, als liefe ihm die Zeit davon.
Sieht so aus, als bräuchte er den Gegenstand zu einem bestimmten Termin. Die Angelegenheit
entgleitet ihm«, meinte Couvier, der sich ebenfalls eingefunden hatte, weil der
Fall ihn nicht losließ.
»Woraus schließt du das?« Skorubski runzelte
skeptisch die Stirn.
Die Tür öffnete sich.
Dr. Pankratz trat ein und setzte sich mit
einem knappen Begrüßungsnicken mit an den Tisch.
»Die Angelegenheit eskaliert. Das zeigt
die zunehmende Anspannung.«
»Ich habe die junge Frau schon obduziert«,
erklärte der Rechtsmediziner. »Ich dachte, es ist besser, Sie arbeiten an der Auflösung
des Falles, und ich bringe den Bericht persönlich vorbei.«
»Was Neues?«
»Vorgehensweise wie bei den beiden vorangegangenen
Morden. Ein Hieb in die Kniekehle, ein Schlag auf den Kopf. Die Tatwaffe entspricht
der, die bei den anderen Morden verwendet wurde. Danach entfernte er, was für ihn
irgendeine Bedeutung hat. Und dann passiert etwas Neues. Er geht weg, kommt wieder
und zerschlägt ihr das Gesicht. Eindeutig wurden ihr die Knochenbrüche später beigebracht.«
»Ha! Das bestätigt unsere Theorie vollkommen.
Er sucht nach dem Gegenstand, findet ihn nicht und lässt seinen Frust am Opfer aus«,
stellte Wiener erregt fest.
»Bleiben für mich mehrere Fragen: eine ist
uns bereits bekannt. Warum klärt er nicht bei einem Gespräch vorab, ob das Ding
im Besitz des Opfers ist, statt gleich zu töten? Und: Warum geht Beate Michaelis
nachts an die Tür und tritt sogar noch raus in den Hof? Außerdem: Ging die Außenbeleuchtung
nicht an? Warum? Oder gibt es gar keine?«, zählte Nachtigall auf.
Emile Couvier trat an die Stellwand und
betrachtete die Bilder.
»Sie muss einen guten Grund gehabt haben,
genau wie Meinert Hagen. Eigentlich glaube ich nicht an den geheimnisvollen Fremden,
der verkündet, er wisse nun, wer der Mörder sei. Das glaubt doch niemand ernsthaft!
Und so dumm wäre sie nicht gewesen, einem Fremden nachts die Tür zu öffnen.«
Er nahm schwungvoll wieder Platz und gestikulierte
aufgeregt, während er weitersprach. »Ich könnte mir was anderes vorstellen. Nämlich
einen Freund, der anruft, einen Freund, der klingelt. Wenn zum Beispiel Kirk Damboe
geläutet hätte – ganz aufgelöst verkündete, er wisse nun, wie die Morde zusammenhängen,
er habe den Schlüssel gefunden. Wäre sie dann nicht arglos an die Tür gekommen?
Sie schließt auf, sieht hinaus, es ist dunkel. Niemand zu sehen. Beate Michaelis
tritt auf die Treppe, ruft leise, geht noch zwei Schritte weiter, doch Damboe antwortet
nicht. Achselzuckend macht sie kehrt. Auf diesen Moment hat der Mörder nur gewartet.
Er tritt aus dem Hinterhalt, lautlos, schlägt zweimal zu, verstümmelt den Leichnam,
nimmt den Schlüssel und geht in ihre Wohnung. Sucht, ärgert sich immer mehr. Schon
drei Morde und noch immer kein Ergebnis! Er nimmt den Schürhaken und drischt auf
die Kugel ein, erreicht aber nur einen winzigen Schaden. Unbefriedigend. Dann macht
er kehrt, läuft die Treppe hinunter und schlägt auf die tote Frau ein. Das ist schon
besser, schließlich ist sie schuld, dass er wieder nichts gefunden hat. Warum war
es auch nicht in ihrer Wohnung? Danach geht es ihm etwas besser, er verlässt den
Tatort und wirft den Haken achtlos in einen der Nachbargärten.«
Nachdenklich sahen sich die Versammelten
an.
Die lebhafte Schilderung schien ohne Denkfehler
zu sein.
Sie waren betroffen.
Betroffen darüber, wie leicht der Täter
es gehabt haben könnte, sein Opfer zu überlisten.
»Ja – klingt plausibel – möglicherweise
war es genau so«, bestätigte Nachtigall.
»Haben wir eigentlich inzwischen den Einzelgesprächsnachweis
von Hagens Handy?«, fragte er dann.
Michael Wiener fischte ein
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