Wu & Durant 01 - Umweg zur Hölle
wiederholen. Artie Wu schloß die Augen, lehnte den Kopf gegen die Wand und sagte, ohne die Lippen zu bewegen: »Jetzt?«
»Jetzt«, sagte Durant.
»Laß den Mexikaner nicht aus den Augen.«
»Okay.«
Wu machte die Augen wieder auf und erhob sich langsam. Durant tat das gleiche. Sie bewegten sich auf die Zellenseite zu, an der die drei saßen. Die zwei Säufer lagen auf dem Boden. Der, der aufgewacht war, war inzwischen wieder eingeschlafen. Wu blieb etwa einen Meter vor dem Armenier stehen und starrte auf ihn hinab. Durant gähnte und ließ die Augen schweifen, richtete sie aber immer wieder auf den hübschen Mexikaner, der sich Dolores nannte. Der Mexikaner schenkte ihm ein süßes Lächeln. Durant lächelte zurück.
»Gentlemen«, sagte Wu, »erlauben Sie, daß ich mich vorstelle.«
»Nicht nötig, Chinaboy«, sagte der Armenier, »ich weiß, wer du bist. Du bist mein süßer Zuckerarsch, das bist du.«
»Zuckerarsch, yeah«, sagte der Schwarze mit einem riesigen Lächeln. »Süß wie Zucker, wetten?«
Artie Wu wiegte sich ein bißchen auf den Fersen und schüttelte langsam den Kopf, als bekümmere ihn ein Mißverständnis. Dann beugte er sich leicht vor, starrte wieder nach unten auf den Armenier und lächelte hinterhältig. Durant behielt den Mexikaner im Auge.
»Du siehst das ein bißchen falsch, mein Freund«, sagte Wu leise. »Weißt du, genau betrachtet bin ich jetzt der Chef-Motherfucker hier.« Er ruckte den Kopf gegen Durant. »Und er ist mein Chef-Motherfucker-Assistent, und zusammen haben wir die Schnauze voll von eurem Gesabber.«
»Na, ist das wahr«, sagte der Armenier und stand auf, ohne die Augen von Wu zu nehmen. Der Schwarze stand gleichfalls auf und zog sich die Hose zurecht. Der Mexikaner, immer noch lächelnd und den Blick fest auf Durant gerichtet, versuchte, sich von seitwärts hinter Wus Rücken zu schieben. Durant drehte sich mit ihm. Der Mexikaner hörte auf zu lächeln. Wu bewegte sich rückwärts, bis er mit seinem Rücken Durants Rücken berührte, dann entspannte er sich, und auf seinem Gesicht erschien wieder das hinterhältige Lächeln. Durant hob langsam die Hände, bis es aussah, als zeigte er dem Mexikaner die Länge eines soeben gefangenen Fisches.
Turk, der Armenier, hatte einen langen drahtigen Schnurrbart, den er kurz, wie um sich zu vergewissern, daß er noch da war, streichelte. Er war so groß wie Artie Wu, vielleicht sogar etwas größer, während Wu um einige Jahre älter war. Der Armenier hatte muskulöse, behaarte Arme und kein Gramm Fett zuviel.
»Du bist hier nicht der neue Chef-Motherfucker, Chinaboy«, sagte er, »du bist mein süßer Zuckerarsch, ist das klar?« Dann schlug er mit der Linken zu.
Artie Wu hatte sie erwartet, aber sie kam immer noch viel zu schnell, ein harter, oft trainierter Schlag mit dem ganzen Gewicht des Armeniers dahinter. Wu fing einiges davon noch mit dem Unterarm ab, der Rest jedoch schoß weiter und traf ihn mit voller Wucht gleich unterhalb der Kehle. Wu tauchte in die Hocke – die nachdrängende Rechte des Armeniers segelte an seinem Ohr vorbei ins Leere. Wu versetzte dem Armenier zwei schnelle, hämmernde Rechte in den Magen, ziemlich tief unten in den Magen, sehr tief unten. Der Atem des Armeniers jagte mit einem trockenen, rasselnden Keuchen aus seinen Lungen, er krümmte sich und preßte die Hände vor den Bauch. Wu faltete seine Hände über dem Kopf zusammen und schickte sie mit einem kraftvollen Schlag in den Nacken des gekrümmten Mannes. Der Armenier kippte zu Boden, streckte sich und blieb zuckend und keuchend liegen.
Das Messer war wie von Zauberhand in der Rechten des Mexikaners aufgetaucht. Es war aus einem Löffel gefertigt, sein Griff bestand aus einer Art Papiermaché, das aus nassem Brot und Zeitung nach seinem Handgriff geformt und getrocknet worden war. Alles in allem ein Messer von sehr persönlichem Zuschnitt und, wie es schien, Dolores, dem Mexikaner, ans Herz gewachsen.
Er verschenkte keine überflüssige Bewegung. Er ging Durant mit einem geschmeidigen, schnellen Satz an. Die Klinge zielte direkt unter den Rippenbogen. Durant fing die rechte Hand des hübschen Mexikaners ab, fand den Nerv im Handgelenk unterhalb des Daumenwulstes und drückte hart zu. Der Mexikaner schrie laut auf, ließ das Messer aber nicht fallen. Durant drückte ihm den Arm auf den Rücken und brach ihn. Der Mexikaner schrie wieder auf und ließ das Messer fallen.
Jimbo, der große Schwarze, hatte inzwischen überlegt, ob er
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