Wu & Durant 02 - Am Rand der Welt
Krebsfleisch gegessen hatte, wurde mir schlecht. Erinnerst du dich?«
»Allerdings.«
»Na ja, ich hab nie wieder Krebsfleisch angerührt. Nie wieder. Was ich sagen will, ist, daß so ein vertracktes Gedächtnis wie meins mich nicht davor bewahrt, Fehler zu machen.« Er lächelte Espiritu kalt an. »Aber es bewahrt mich todsicher davor, zweimal denselben zu machen.«
Dreißig Minuten später hörten sie den leisen Pfiff vor der Höhle. »Sie sind hier«, sagte Espiritu.
»Wer?«
Statt zu antworten, imitierte Espiritu den Pfiff. Stallings konnte Füße hören, die über Schiefer und Fels scharrten und rutschten. Er veränderte seine Haltung so, daß er mit seinem M-16 sowohl Espiritu als auch den Eingang im Schußfeld hatte. »Wer, zum Teufel, ist da draußen, Al?«
»Freunde.«
Der erste Freund, der durch den Höhleneingang gekrochen kam, war Otherguy Overby, erhitzt, verschwitzt und ausgepumpt. Direkt hinter ihm folgte Carmen Espiritu mit ihrem Jutebeutel. Sie wirkte kühl, frisch und außerordentlich energisch.
Overby blickte sich um und ließ die Höhle auf sich einwirken. Wie stets bemerkte er zunächst das Offensichtliche. »Jesses, ist das kühl hier drinnen.«
Booth Stallings richtete das M-16 auf Overby und sagte: »Was haben Sie zu sagen, Otherguy?«
»Nicht wahnsinnig viel.« Er nickte Espiritu zu. »Wie geht’s, Al?«
»Sehr gut, danke, Mr. Overby«, erwiderte Espiritu mit einem schiefen Lächeln und wandte sich an seine Frau: »Irgendwelche Schwierigkeiten?«
»Noch nicht.«
»Du hörst dich an, als ob du welche erwartest.«
»Du mußt deine Wahl treffen.«
Espiritu nickte bedächtig, blickte erst zu Overby, dann zu Stallings. »Mr. Stallings hat eine entsicherte automatische Waffe, mit der er mehr oder weniger in meine Richtung zielt. Mr. Overby hat keine. Die Wahl scheint offensichtlich.«
Carmen Espiritus rechte Hand fuhr in den Jutebeutel. Espiritu wandte sich ab, als wolle er sich einen unerfreulichen Anblick ersparen.
»Tut mir leid«, sagte Carmen Espiritu zu Overby.
Otherguy Overbys Gesicht nahm einen ruhigen und entrückten Ausdruck an, während er nickte, als sei er gerade für sich zu einer Schlußfolgerung gelangt, und vorsichtig zwei Schritte zurückwich.
Booth Stallings hielt den Blick auf Espiritu gerichtet. Er sah, wie dieser sich abwandte, dann wieder herumfuhr und mit dem Revolver, den er aus dem Pappkarton geholt hatte, auf seine junge Frau zielte.
Stallings öffnete den Mund zu einem Schrei, aber Carmen Espiritu hatte die Waffe schon gesehen. Hätte ihr Zorn sie nicht dazu getrieben, ihren Mann zu verfluchen, wäre ihr vielleicht genug Zeit geblieben, um ihre eigene Waffe aus dem Beutel zu ziehen. Aber sie verhedderte sich irgendwo, und Alejandro Espiritu schoß zweimal auf sie – zuerst in die Brust und dann etwas tiefer, in die Körpermitte. Die beiden Kugeln schleuderten sie nach hinten gegen die Höhlenwand, die ihr ausreichend Halt bot, um noch einen Augenblick oder zwei stehen zu bleiben, wobei ihr Gesicht weitaus mehr Überraschung als Schmerz verriet. Dann kippte sie vornüber und fiel auf das Gesicht.
Nachdem sie gefallen war, zuckte Carmen Espiritu noch zwei- oder dreimal, dann lag sie still. Overby hielt beide Hände auf die Ohren gepreßt, als schmerzten sie. Espiritu hatte sich die Linke über das linke Ohr gelegt, aber die rechte Hand hielt noch immer den Revolver. Da Booth Stallings den Mund aufgerissen hatte, um zu schreien, als Espiritu abdrückte, machten ihm seine Ohren nicht zu schaffen. Sowohl das M-16 als auch seine Augen waren immer noch auf Espiritu gerichtet.
Sekunden vergingen, ohne daß irgend jemand etwas sagte oder die Hände von den Ohren nahm. Der erste, der sprach, war Espiritu, dessen Stimme noch stärker nach Kansas klang und noch tonloser war als üblich, als könne er selbst nicht richtig hören, was er sagte.
Er benutzte diese monotone Stimme, um eine Art Nachruf auf seine tote Frau vorzubringen. »Carmen hatte viele gute Eigenschaften und einen fatalen Fehler«, sagte er. »Sie hielt jeden für einen verdammten Narren. Außer sich selbst.«
Wieder folgte Schweigen. Overby räusperte sich, sagte jedoch nichts, und seine Miene blieb kalt, distanziert und wachsam. Als Booth Stallings sprach, geschah das in einem Ton, den er vielleicht auch benutzt hätte, um mit jemand leicht Schwerhörigem zu sprechen. »Den nehme ich jetzt, Al.«
Alejandro Espiritu schaute auf den Revolver in seiner rechten Hand hinab, als sei er
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