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Würde - Roman

Titel: Würde - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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gepackt und hielt ihn so fest, dass er sich nicht mehr zu rühren vermochte. Der Mann legte ihm an einem Arm Handschellen an, ehe er den anderen Arm auf Ifasens Rücken riss. Derart gefesselt wurde Ifasen auf die Anklagebank zurückgezerrt, wo er zusammenbrach. Nun packte ihn auch der andere Polizist unter der Achsel und riss ihn gemeinsam mit seinem Kollegen hoch.
    Der Amtsrichter war aufgesprungen. Die Muskeln in seinen Oberarmen spannten sich wie bei einem Rugbyspieler, der bereit zum Angriff war. »Entfernen Sie diese Frau sofort aus meinem Gerichtssaal!«, rief er aufgebracht. »Und stellen Sie sicher, dass sie nicht wiederkommt.«
    Abayomi drehte sich um und rannte, ohne abzuwarten, dass sich die Hände der Polizisten auf sie legten, zur Tür. Sie riss sie mit aller Kraft auf und eilte dann den Korridor entlang davon. Erst als sie sich draußen im nachmittäglichen Sonnenlicht befand, blieb sie stehen, das Gesicht tränenüberströmt.

9
    Die angespannte Stimmung zwischen Amanda und Richard beherrschte das ganze Wochenende. Versunken in seine eigene Welt erlebte Richard ein Gefühlschaos, das ihn an seine Jugendjahre erinnerte. Damals war es ihm oft so vorgekommen, als stünde er auf Messers Schneide zwischen Glück und Verzweiflung. Auch jetzt empfand er eine ähnliche Verletzlichkeit, fast so, als wäre sein Leben von oben bis unten aufgeschlitzt worden. Beunruhigt und doch trunken vor Freude lief er durchs Haus. Seltsame Gedanken schossen ihm durch den Kopf und drohten sogar, ihm über die Lippen zu kommen. Er presste den Mund zusammen und musste dann fast lachen, so merkwürdig erschien ihm das Ganze. Eine Weile stand er draußen auf dem Rasen und beobachtete beinahe verzückt einen Steppenbussard, der sich unweit von ihm vom Wind emportragen ließ, ehe er wieder zu Boden segelte.
    Mit seiner mürrischen Frau vermochte er kein Wort zu wechseln, während ihn die Sehnsucht, sich mit Abayomi auszutauschen, innerlich aufwühlte. Immer wieder las er ihre SMS. Er war versucht, David Keefer anzurufen, doch er wusste, dass sein Freund viel zu indiskret war. Alles, was Richard ihm anvertraute, stand in Gefahr, schon bald einer größeren Gruppe von Leuten bekannt zu sein.
    Richard lief unruhig im Haus hin und her. Er konnte weder
seine Verwirrung mit jemandem teilen, noch war er in der Lage, den Nebel, der ihn umgab, zu zerreißen und nach etwas Fassbarem zu greifen. Wie das Aufstechen eines Geschwürs hatte auch sein Besuch in dem Massagestudio etwas freigesetzt, was bisher unter unausgesprochenen Zweifeln verborgen gewesen war. Auf einmal war alles in Bewegung. Alles schien möglich zu sein.
    Die Tage nach der unglückseligen Dinnerparty schienen nicht enden zu wollen. Ohne dass es direkt angesprochen wurde - seine Frau redete nicht darüber, und Richard bot keine Erklärung an -, hatte sein Verhalten Amanda ganz offensichtlich verärgert. Mit zusammengepressten Lippen saß sie ihm gegenüber und stieß nur hie und da ein paar kurze Sätze aus. Es gelang ihm, den Großteil des Samstags nicht zu Hause zu sein, sondern seine Zeit in der Sauna des Sportstudios zu verbringen, wo er seinem Schweiß zusah, wie dieser in giftigen Strömen von ihm herabrann. Am Sonntag begleitete er Amanda nicht wie sonst üblich auf einen Spaziergang mit den Hunden, sondern gab vor, zu Hause arbeiten zu müssen. In Wahrheit war er jedoch kaum in der Lage, sich auf irgendetwas länger als ein paar Minuten zu konzentrieren. Seine Gedanken wurden von der Vorstellung an geheime Treffen, die er sich ausmalte, wie von Hunden gejagt.
    Er war erleichtert, als das Wochenende endlich vorüber war. Seine Rückkehr in die Alltäglichkeiten des Kanzleilebens versprach eine gewisse Klarheit. Am Montagmorgen stand er unter der Dusche. Warmes Wasser prasselte auf ihn herab, bis der Boiler leer war und das Wasser kalt wurde. Das Ekzem, das sich normalerweise in seinen Armbeugen ausbreitete, war fast verschwunden. Das Wasser schlängelte sich seinen Weg über seine Brust und kitzelte seinen Bauch, als er sich zurücklehnte und das Gesicht unter den kühlenden Strahl hielt. Ja, dachte er, du bist vielleicht von deinem Weg abgekommen, aber dafür hast du deine Männlichkeit wiedergefunden.

    Auf einmal begriff er, wie machtlos er geworden war. Bei Impotenz ging es nicht um einen Zustand der Welkheit, sondern um ein Symptom der Entmannung - um vergessene Bedürfnisse und unausgesprochene Wünsche. Er hatte es zugelassen, dass er sich von seiner Männlichkeit

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