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Würde - Roman

Titel: Würde - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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entfremdet und an einem Ort der Angst und des Zögerns niedergelassen hatte. An diesem Ort hatte er seinen eigenen Mittelpunkt verloren und war nur noch damit beschäftigt gewesen, nicht zu stürzen.
    Im Grunde war es egal, ob er Abayomi jemals wiedersehen würde - ihre Existenz war letztendlich bedeutungslos -, denn es hatte nur einen Moment ihrer Gegenwart in seinem Leben gebraucht, um ihm zu zeigen, wie sehr er ins Schwanken gekommen war. Sein Zorn auf Amanda wuchs wie eine bösartige Zyste in seinem Inneren.
    Nadine kam ihm wortlos entgegen und reichte ihm eine Liste mit eingegangenen Anrufen und eine Tasse Kaffee, ohne ihn dabei anzulächeln. Am ersten Tag der Woche war sie immer schlecht gelaunt, und Richard hatte gelernt, mit ihren Launen umzugehen. Normalerweise nahm er ihre schlechte Stimmung wortlos hin, doch diesmal stellte er sich ihr entgegen.
    »Guten Morgen, Nadine. Ich hoffe, Sie hatten ein schönes Wochenende. Meines war ganz in Ordnung, danke der Nachfrage«, sagte er.
    Überrascht zog sie die Augenbrauen hoch und nickte. »Interessant.«
    Richard musste lächeln, als sie ihm den Rücken zuwandte und auf die Dachterrasse hinaufeilte, um sich dort eine weitere Zigarette anzustecken.
    Die morgendliche Luft drückte bereits schwül herab, doch die Temperatur im Bürokomplex war dank der Klimaanlage angenehm kühl. Richard entspannte sich, als er sich hinter seinen Schreibtisch setzte und die ordentlichen Stapel von Akten betrachtete,
die vor ihm aufgebaut waren. Hier war er Herr der Lage. Die akkurate Ordnung der Kanzlei wirkte wie ein Puffer gegen all die Unsicherheiten, die ihn ansonsten hätten erdrücken können. Nophumla brachte ihm eine zweite Tasse Kaffee, und er widmete sich mit ungewohnter Entschlossenheit den Briefen und E-Mails, die auf Antwort warteten.
    Es war nichts Ungewöhnliches darunter, die Briefe waren fast alle unwichtig, und die E-Mails reichten von harmlosen Scherzen und erotischem Schund bis hin zu internen Terminvereinbarungen und Spam. Richard ging alles durch, speicherte die einzelnen Mails sorgfältig in den vorgesehenen Ordnern und löschte nur wenige. Es gab zudem ein paar Dokumente, unter anderem ein Memo von Igshaan Solomons. Er hatte ein Meeting der Seniorpartner für einen späteren Zeitpunkt in der Woche einberufen, um seine neuesten Ergebnisse zu präsentieren. Richard schob das Memo in die Ecke seines Schreibtischs, ohne es genau durchzulesen.
    »Wichser«, murmelte er laut und widmete sich dann seiner morgendlichen Zeitungslektüre.
    Wieder einmal wurden die Schlagzeilen von Angriffen auf Ausländer dominiert, ein Thema, das seit Wochen das Land im Griff hatte. Richard bedauerte es, dass er Nophumla nicht gefragt hatte, was genau geschehen war. Er betrachtete die Fotos von den ausgebrannten Hütten und den bandagierten Männern, weigerte sich aber innerlich, sich davon ablenken zu lassen. Stattdessen wandte er sich der nächsten Seite zu.
    Der Hauptartikel des Wirtschaftsteils beschäftigte sich mit Quantal Investments und ihrer möglichen Börsennotierung. Offensichtlich gab es eine ziemliche Rangelei unter den besten Anwaltskanzleien des Landes, wer von ihnen den Quantal-Vertrag bekommen würde. Namen wurden keine genannt.
    Die Kricketergebnisse vom Wochenende beherrschten den
Sportteil der Zeitung, wobei Indiens Sieg über England wieder einmal unvermeidliche Vergleiche zwischen den Ländern nach sich zog. Richard grinste, als er über die englischen Fans las, die angeblich den Kopf des Captains auf einem Kricketstab aufgespießt sehen wollten. Je länger er in seinem Büro saß, desto wohler fühlte er sich, fast so, als hätte er sich endlich einer schweren Last entledigt.
    Sein Vormittag fiel allmählich in den vertrauten Rhythmus aus Telefonanrufen und kurzen Konsultationen, was ihn von dem emotionalen Morast ablenkte, der sein Wochenende bestimmt hatte. Vom Signal Hill ertönte pünktlich um zwölf Uhr die Noon Day Gun, so wie sie das seit den ersten Tagen der kolonialen Marine getan hatte. In dem Erklingen der Kanone spiegelte sich die eigenartige Ambivalenz der Stadt wider - fortschrittlich und liberal und dennoch verklärend nostalgisch, wenn es um ihre grausame Geschichte ging. Der grauweiße Rauch trieb über die Wipfel der Kiefern und legte sich langsam auf die Häuser und Moscheen des Viertels von Bo-Kaap.
    Richard verbrachte einige Zeit in der kleinen Bibliothek der Kanzlei, wo er ein paar Akten durchblätterte, um etwas für seine aktuellen Fälle

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