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Würde - Roman

Titel: Würde - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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gemähte Rasen hinter den Blumenrabatten wirkte ebenfalls makellos - zwei symmetrische Rechtecke, die am Fuß des ersten, hoch aufragenden Stacheldrahtzauns endeten, dessen glitzernder Draht sich tief in den Boden bohrte. Dann folgte ein kurzer Streifen nackter Erde, wo sich die Pfotenabdrücke der Wachhunde zeigten, ehe sich dahinter der zweite Gitterzaun erhob. Dieser war höher als der erste und wurde von einem Starkstromdraht gekrönt. An jeder Ecke der Umzäunung stand ein armeegrün gestrichener Wachturm mit dunkel getönten Fenstern.
    Die beiden Tore der Umzäunung wurden von einem Wachhäuschen aus bedient. Das Gesicht des Aufsehers wirkte hinter dem grünblauen Panzerglas seltsam verzerrt, als blickte er dem Besucher aus einem tiefen Meer herauf entgegen. Er öffnete das zweite Tor erst, nachdem das erste wieder geschlossen war, so dass der Besucher einen Moment lang in Panik versetzt wurde, als er sich in einem Wald aus Stacheldraht und Drahtverhauen gefangen sah. Mit einem Surren rollte schließlich das zweite Tor auf, und der Besucher hastete mehr als erleichtert hindurch.

    Erst sobald er sich innerhalb der Umzäunung befand, begann sich allmählich die brutale Wirklichkeit der Haftanstalt von Pollsmoor zu offenbaren. Auf den ersten Blick sah er nur den hübsch angelegten Weg mit den Blumenrabatten und der Grünfläche, die sich vom matten Stacheldraht und dem elektrischen Zaun absetzte, gefolgt von dem steinernen Wachhäuschen. Dann gelangte er in den Eingangsbereich mit dem hölzernen Tresen und einer Vase voll Plastikrosen. Auch hier vermochten die Angestellten des Gefängnisses noch den Eindruck zu wahren, alles im Griff zu haben. Die Formulare und Unterschriften ließen glauben, dass es sich um eine Institution mit Regeln und Vorschriften handelte. Die Wärter trugen Bügelfaltenhosen und bewegten sich in dem kleinen Verwaltungsbereich rasch und effizient. Man notierte sich den Namen des Besuchers, stellte ihm Fragen, prüfte seine Identität. Schließlich wurde er durch eine hell gestrichene Tür in den Besucherbereich geführt, wo es eine Reihe von Kabinen mit dicken Glasscheiben gab. Endlich konnte er in das Gesicht seines eingesperrten Familienmitglieds blicken, wenn auch stets scharf beobachtet von einem Gefängniswärter mit ausdrucksloser Miene.
    Doch selbst in diesem Teil der Vollzugsanstalt gewann man noch keinen echten Einblick in das eigentliche Gefängnis. Die Gefangenen saßen vor einer nackten Betonwand, und den einzigen Zugang zum Gefängnis stellte eine Metalltür im Eingangsbereich dar. Auf der anderen Seite dieser Tür fiel jeglicher Anschein von Freundlichkeit und Besorgnis wie eine Hülle ab - und übrig blieb die unerbittliche Barbarei des Gefängnislebens.
    Diese Barbarei erschütterte Ifasen zutiefst. In den kahlen Betonmauern und den auf Hochglanz polierten Böden spiegelte sich das niedrigste Verhalten wider, das er jemals erlebt hatte. Hier fand sich nicht einmal eine kleine Ritze für so etwas wie Menschlichkeit. In der Haftzelle auf dem Polizeirevier hatten die Insassen noch deutlich mehr Gefühl für die anderen Häftlinge gezeigt,
ja die von allen erlebte Ungerechtigkeit hatte eine Art Verbrüderung unter den Insassen bewirkt. Das Gefängnis hingegen war ein Ort, an dem nur das Überleben zählte. Jegliches Anzeichen von Schwäche wurde gnadenlos ausgebeutet. Beziehungen zeichneten sich ausschließlich durch Aggression und Selbstsucht aus. Es war die Rückkehr in einen urzeitlichen Zustand, wo jeder zwischenmenschliche Kontakt allein auf Risiko und Nutzen abgewogen wurde. Die Gefängnisinsassen umkreisten einander wie wilde Tiere, verfolgten und taxierten sich ununterbrochen, versuchten, die Stärke ihrer Gegner sowie die Begehrtheit ihrer wenigen Habseligkeiten auszuloten. Kommunikation war auf finstere Blicke, Muskelspiele, Schmähungen und raue Flüche beschränkt. Es war eine Welt, in der allein körperliche Stärke zählte - eine Welt, wie sie Ifasen fremder nicht hätte sein können.
    Als er eintraf, durchlief er als Erstes die übliche Routine. Nachdem die administrativen Formalitäten abgeschlossen waren, wurde er für die medizinische Kontrolle zum Amtsarzt gebracht. Es folgte eine oberflächliche Untersuchung, die den Arzt sichtlich langweilte. Ifasen saß auf einem Stuhl, während ihm der Mann nacheinander in die Augen leuchtete und eine eiskalte Scheibe auf seine Brust drückte, um seine Lungen abzuhorchen.
    Auf der gegenüberstehenden Liege hockte ein

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