Wuesten - Tierparadiese unserer Erde
bevorzugt dabei ebenfalls Felswände und jagt nun die nach Europa heimkehrenden Zugvögel. Anders als der Schieferfalke ist er das ganze Jahr in derselben Region.
Kein Saharaspezialist – der Raubwürger
Der aus Europa bekannte Raubwürger (
Lanius excubitor
), der im hohen Norden und anderen winterkalten Gebieten in der gesamten Alten Welt als Zugvogel lebt, bewohnt in der hellen Rasse
Lanius excubitor elegans
auch die Sahara. Der Singvogel ist ein Beispiel dafür, dass ein Tier auch ohne spezielle Stoffwechselanpassungen mit einer weiten Skala von klimatischen Bedingungen zurechtkommt. Angewiesen ist der Sahara-Raubwürger jedoch auf hoch gelegene Warten; von hier jagt er alles, was er überwältigen kann: Insekten, kleine Echsen, Mäuse, Vogelbrut und Kleinvögel.
Ein Krebs auf dem Trockenen
Die Wüstenassel benötigt lockeren Boden, um ihre Baue zu graben, sowie Pflanzenreste, die sie mit ihren kräftigen Mundwerkzeugen durchkaut. So trägt sie in den extremen Trockengebieten der Sahara wesentlich zur Zersetzung von organischem Material bei. Wie keine andere Assel hat die Wüstenassel (
Hemilepistus reaumuri
) jedoch eine Art Familienleben entwickelt. Ihre Lebenszeit verbringen diese Krebstiere in Einehe. Sie füttern und bewachen ihre Jungen in einem selbst gegrabenen Bau, der gemeinsam von der Familie erweitert und gepflegt wird. In günstigen Lagen können so Kolonien von rd. 100 Tieren pro Quadratmeter entstehen. Die Asseln erscheinen morgens und abends außerhalb ihrer Höhlen und können sich hervorragend am Stand der Sonne orientieren. Im Spätsommersterben die Alten. Im Frühjahr darauf wandern die vorjährigen Jungtiere vom elterlichen Bau ab, um selbst in einem neuen Bau eine Familie zu gründen. Ihre Anpassungen an das Leben auf dem Trockenen sind so perfekt wie bei den übrigen Landasseln. Neben den Blattlungen, die sie an spezialisierten hinteren Beinpaaren unter dem Panzer tragen, erlaubt ihnen eine Art Gefäßsystem, stickstoffhaltige Abfälle als Ammoniakgas auszuscheiden. So verliert die Wüstenassel kaum Flüssigkeit. Und deshalb riechen Ansammlungen von Asseln nach Urin. Die Niederländer belegen die Asseln daher, angelehnt an den breiten, flachen Körper, mit dem derben Namen Pissebed (Pissbett).
Ohne Kalk keine Schnecke
In Gebieten, die im Winterhalbjahr noch vom Regen des Mittelmeers erreicht werden, kann sich sogar ein einziger Vertreter der Weichtiere halten: die Wüstenschnecke
Helix desertorum
. Sie bestätigt damit die Mollusken als vielseitigste Tiergruppe im Besiedeln von Lebensräumen. Außer im Luftraum finden sie sich überall auf der Erde – vom Hochgebirge bis hinab in die Tiefsee. Bereits in der etwas feuchteren Negev-Wüste auf der Sinai-Halbinsel gibt es weitere Schneckenarten. Doch ebenso wichtig wie Wasser ist für die Existenz der Wüstenschnecke das Vorkommen von Kalk: Ohne dieses Sedimentgestein kann sie kein Gehäuse bilden. In der Sahara stammt der Kalk u. a. von versteinerten Muscheln und Ammoniten, also fossilen Mollusken aus dem Meeressediment. Die Wüstenschnecke baut also gewissermaßen auf ihren Vorfahren auf. Schon den Entdeckungsreisenden des 19. Jahrhunderts war diese große, weiße Gehäuseschnecke aufgefallen. Sie fanden sie in der ägyptischen Oase Siwa nahe der libyschen Grenze in großen Mengen. Im Winterhalbjahr bei ausreichender Feuchtigkeit raspelt sie sich mit ihrer Reibeisenzunge durch Blätter und Früchte der vergleichsweise frischen Pflanzen. Während der Tageshitze verlässt sie den Boden und klebt sich, den Gehäuseeingang mit einer pergamentartigen Kapsel gegen das Austrocknen geschützt, mehrere Dezimeter vom ofenheißen Boden entfernt an die Vegetation oder an beschattete Felsen. Dort kühlt der Luftstrom die Schnecke ein wenig.
In der trockenen Jahreszeit – also der überwiegenden Zeit des Jahres – stellt die mit der europäischen Weinbergschnecke verwandte Art jegliche Aktivität ein. Dazu gräbt sie sich an möglichst feuchter und kühler Stelle in den Boden und kapselt sich mit einem Kalkdeckel ein – mitunter jahrelang. Forscher berichten, das Britische Naturhistorische Museum in London habe 1846 zwei solcher verdeckelten Gehäuse erhalten. Sie seien in einer Vitrine ausgestellt worden, bis ein Konservator auf die Idee gekommen sei, die Gehäuse in einen Behälter mit Wasser zu stellen. Und siehe da: Eine Schnecke öffnete ihren Deckel und erkundete die Umgebung – nach vier trockenen Jahren in einer Vitrine.
Das Dromedar
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