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Wuestenmond

Wuestenmond

Titel: Wuestenmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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Windstößen geschüttelt, mit fast einer Stunde Verspätung. Gereizt und übernächtigt warteten wir vor dem Fließband. Unsere Lider waren geschwollen, die Kleider staubig und zerknittert. Das Gepäck kam; wir sortierten es ungeduldig. Draußen vor dem Flughafen war es windig und kalt. Die Reise war gut verlaufen, aber wir hatten genug. Wir waren schon zu lange zusammen, zu sehr aufeinander angewiesen wie eine beengt wohnende Familie, jeder kannte den anderen allzu gut; jetzt brauchten wir Freiraum.
    In den letzten Tagen hatten wir alle Gesprächsthemen erschöpft, wir hatten keine Lust mehr auf Geplänkel oder Witze. Darüber hinaus hatte Rocco Adil auf dem Gewissen, der mit zwei gebrochenen Rippen wieder arbeitslos war. Immerhin war die Abfindung großzügig gewesen, dafür hatte ich gesorgt; und am Ende war Adil zufrieden gewesen. Zum Zeichen dafür, daß er Rocco nichts nachtrug, hatte er ihm eine Sandrose geschenkt, nahezu ein Museumsstück und schwer wie ein Backstein. Rocco hatte sie murrend eingepackt. Was sollte er damit? Wir hatten gelacht, was er uns übelgenommen hatte. So war das eben mit Rocco. Nun dachte jeder an seine eigenen Angelegenheiten.
    Wir würden uns ein paarmal im Schneideraum treffen, aber das war Routine. So trennten wir uns, winkten einander zu, und jeder nahm ein Taxi in eine andere Richtung. Es hatte geregnet, die Straßen waren naß, die Schieferdächer glänzten. Cafes und Restaurants waren voller Leute, die Schaufenster waren schon erleuchtet, der Verkehr brauste, staute sich vor den Ampeln. Mein Taxifahrer war ein Raucher, der Wagen roch nach kaltem Qualm. Ich wünschte nur, daß er schnell fuhr. Nicht die Fahrt war deprimierend; es war deprimierend, daß ich müde war, aus der Sonne kam, aus der Weite, dem Licht. Die dunklen Wolken verdichteten sich; es würde bald wieder regnen.
    Meine Wohnung in der Rue Verdaine war still, oberflächlich aufgeräumt, angenehm. Ich stellte Tasche und Rucksack in den Gang, machte Licht. Es roch nach abgestandener Luft. Ich öffnete die Fenster, ließ die Abendluft herein, und sofort füllte sich die Wohnung mit Lärm. Meine Putzfrau hatte den Papierkorb geleert, die Pflanzen gegossen. Ich zog die verschwitzten Kleider aus; zuerst 221
    eine Dusche. Ich regulierte das aus der Brause strömende Wasser, bis es fast heiß war, drehte und wand mich unter dem starken Strahl. Ich wusch mich von Kopf bis Fuß, auch die Haare. Dampf füllte das Bad. Ich trocknete mich ab, schlüpfte in meinen abgetragenen weißen Frotteemantel.
    Barfuß, mit nassem Haar, ging ich in die Küche, setzte Teewasser auf. Auf dem Anrufbeantworter ein paar Nachrichten; keine dringende Botschaft, nichts, was nicht warten konnte. Es war bekannt, daß ich im Ausland war. Ich trank Tee, Earl Grey, den ich am liebsten mochte, sortierte gleichgültig die Post. Das meiste landete im Papierkorb. Der Regen prasselte an die Scheiben; Neonlichter blinkten. Die Müdigkeit wuchs, ich sehnte mich schmerzlich nach Elias. Wo war er? Gab es ihn wirklich? Hatte ich ihn erträumt? Es war alles zu kurz gewesen, zu flüchtig und provisorisch. Ich atmete schnell, fühlte mein Herz an die Rippen klopfen. Die Erinnerungen waren in mir; sie würden zurückkommen, farbig, blutwarm. Ich mußte Geduld haben, sie mit dem Ort, an dem ich mich befand, in Übereinstimmung bringen. Ich trank den Tee aus, schaltete den Computer ein. Wenn ich mich jetzt ins Bett legte, würde ich mitten in der Nacht aufwachen, mit Kopfschmerzen und völlig überdreht. Eine Schlaftablette nehmen? Ja, das war besser.
    Und bloß nicht an Elias denken. Wie sollte ich mich sonst hier wieder zurechtfinden?
    Die Reise war zu Ende. Ich hatte die ganze post production am Hals.
    Wenn wir das Datum für den Filmstart schaffen wollten, mußte ich es in zwei Monaten schaffen. Immerhin arbeitete ich nicht schlecht unter Zeitdruck; das war ein Trost. Im allgemeinen schaffte ich die Termine. Aber dafür mußte ich Elias aus meinen Gedanken verbannen. Und dieser Film war nicht gerade geeignet dazu.
    Ich merkte das einen Tag später, im Schneideraum. Ich hatte mich mit einer Praktikantin durch die langweilige Aufgabe gequält, die Randnummern aufzuschreiben; das Schneiden selbst ging elektronisch. Wichtig war das Tempo. Jede Klebestelle im Film verändert den Blickwinkel. Ich dachte an Olivia, an ihre Geigenstunden, und sah jeden Schnitt wie den Schlag eines visuellen Metronoms. Das Gefühl der Harmonie hat man, oder man hat es nicht. Manchmal war

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