Wuestenmond
der neunziger Jahre international für die Tuareg eingesetzt hatten.
»Nicht unbedingt lustige Leute, aber sie sind effizient«, meinte Fantine. »Einige sind nur Schrauben im Getriebe. Andere entscheiden, was getan werden sollte. Die tatsächliche Politik wird nicht nur im Ministerium gemacht. Ein Schritt nach dem anderen, ja?
Kauf dir ein Abendkleid und zeig dich bei Premieren.«
»Ich hasse Abendkleider.«
»Dann kauf dir einen Smoking.«
Fantine beherrschte ihr Einmaleins: Von mehreren Möglichkeiten wählte sie stets die Aufgedonnertste, der Rest ergab sich von selbst.
»Du bekommst eine Talkshow bei TFI. Zur guten Sendezeit.«
»In fünf Minuten die Sache erklären, reicht das?«
»Es sind zehn Minuten. Wir bieten einen Vertreter der DGSE, einen Archäologen und einen Forscher vom Institut Pasteur auf.«
Ich seufzte. Ich hatte nicht unbedingt Lust, mit einem Vertreter der Direction Generale de la Securite Exterieure – dem französischen Geheimdienst – eine Sendung zu gestalten. Aber irgend etwas mußte getan werden.
»Er wird kein neues Licht in die Sache bringen, aber die Atomversuche zugeben«, meinte Fantine. »Das mag Betroffenheit auslösen. Die Tuareg genießen Sympathie. Vielleicht schickt Medecins sans frontieres ein paar Mitarbeiter zu den Stämmen.«
»Das wäre schon etwas. Aber nicht genug. Die Tuareg haben nicht nur medizinische Probleme. Sie leiden ganz entsetzlich an Mangelernährung, sind arbeitslos, sie brauchen Geld, um tiefere Brunnen zu graben. Sie brauchen…«
»Du kannst die Dinge nicht übers Knie brechen. Die Welt ist kompliziert, alle Entwicklungsländer haben ihre Probleme.«
Fantine kritzelte Notizen in ihre Agenda von Hermes.
»Wen nehmen wir noch? Mano Dayak wäre der Richtige gewesen.
Zu schade, daß er gestorben ist…«
Ja, und auch Aflane ist gestorben, zu schade, dachte ich bitter, aber die Tuareg sprechen die Namen der Toten nicht aus. Fantine dachte 240
laut weiter.
»Ein Ethnologe, was meinst du? Die ›blauen Ritter der Wüste‹ und so weiter. Klischees kommen beim Publikum gut an. Mal sehen, wer mir da einfällt…«
Das war mir doch zuviel.
»Hör auf, Fantine. Die Sache übernehme ich.«
Sie sah auf, zeigte ihr scharfes Lächeln.
»Bitte keinen Katzenjammer, sei heftig und pointiert.«
»Das werde ich sein.«
»Tu mir den Gefallen. Für langatmige Hintergrundberichte interessiert sich kein Mensch. Die Zuschauer lieben unfruchtbare Gespräche über Gut und Böse nur, solange sie kurz sind. Verbinden wir die Sache mit Glanz und Glamour, davon wird unser Film profitieren. Das ist doch eine komfortable Ausgangslage, oder?«
Ich rieb mir die Stirn. Fantine sah mich fragend an. Ich schüttelte den Kopf.
»Nichts. Ich habe bloß nachgedacht.«
»Du siehst blaß aus. Bald geht der Rummel los, mach ein paar Tage Urlaub.«
»Das habe ich vor.«
»Ausgezeichnet! Wohin fährst du?«
»Zurück in die Sahara.«
Fantine war nicht gerade entzückt.
»Dein Privatleben geht mich nichts an, aber vor der Talkshow solltest du kein Risiko eingehen. Oder gleich im Sand verdursten, dann wird der ›Weg des Windes‹ ein posthumer Erfolg.«
Die Maschine der Air-Algerie startete zwei Tage später. Ich bekam problemlos ein Ticket. Die Flüge wurden von Einheimischen oder Geschäftsleuten gebucht, Koreaner zumeist, die sich für die Eisenindustrie und die Hydrokarbonate interessierten. Die politische Unsicherheit schreckte Touristen ab. An den einsamen Küsten riß der Wind alte Sonnenzelte in Fetzen; Bomben explodierten auf Marktplätzen. Einst Orte der Begegnung, waren sie zu Orten der Furcht geworden. Fanatiker zerstückelten in Allahs Namen kleine Kinder. In den Olivenhainen spukten Gefahren, Feriendörfer lagen im Dornröschenschlaf, die Hotels mit Tennisplätzen und Schwimmbad verkamen. Ein ganzes Land trieb im Strudel seiner Ängste…
Ich schickte Elias ein Fax, um ihm mein Kommen am Donnerstag anzukündigen. Die algerische Post galt als langsam und 241
unzuverlässig. Sogar in den Oasen arbeiteten Reisebüros und Behörden inzwischen mit Faxgeräten. Ich schickte die Mitteilung an die Willaya von Tarn; Elias hatte dort einen Freund, der sie ihm überbringen würde. Die Technik war nicht auf dem neuesten Stand: Bis ich endlich das Gefühl hatte, das Fax sei durchgegangen, knackte und surrte und pfiff es in den scheußlichsten Tönen. Ich schickte die Nachricht wie eine Schiffbrüchige eine Flaschenpost.
Am Abend vor dem Abflug rief Olivia
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