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Wuestenmond

Wuestenmond

Titel: Wuestenmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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Erdbodens auf, und der Hitzedruck schwand. Wir trabten über die grobkörnige Fläche der Hochebene, als Elias plötzlich seinen Falben anhielt und den Gesichtsschleier herunterzog. Er blies den Atem durch die Nase, um sie frei zu machen. Dann drehte er den Kopf hin und her, wobei er tief die Luft einzog.
    »Wir sind bald da«, sagte er. »Riechst du die Holzkohle?«
    Ich konnte nur bedauernd den Kopf schütteln. Nein, ich verfügte nicht über seine hochentwickelte Sinneswahrnehmung. Mit einem sanften Zehendruck setzte Elias sein Reittier wieder in Bewegung.
    Ich strengte meine Augen vergeblich an. Ich sah nicht die geringste Spur von einem Lager. Doch die Mehara schienen jetzt einer unsichtbaren Fährte zu folgen. Ihre Schritte wurden schneller, ausgreifender. Mit einem Mal hob Elias warnend die Hand und zügelte seinen Falben. Mir stockte der Atem. Nur einige Schritte entfernt vor uns tauchte eine hundert Meter tiefe Schlucht auf. Es war eine merkwürdige Naturerscheinung: Die Hochebene war hier einfach abgeschnitten, die Wüste in zwei Hälften geteilt – und die eine lag hundert Meter tiefer. Fasziniert starrte ich in den von gelben Sandzungen bedeckten Talgrund. Am Fuß einer einzelnen, korallenrot leuchtenden Felskuppe zeugten einige Büsche und ein Streifen gelblicher Schilf von dem Vorhandensein einer Quelle. Elias lächelte über mein erstauntes Gesicht.
    »Siehst du das Lager jetzt?«
    Ich kniff meine Augen zusammen und erkannte undeutlich, längs des Vegetationsgürtels, einige Seribas und eine kleine Anzahl flacher, roter Zelte.
    »Das Gebiet hat immer den Taitok gehört«, erklärte Elias. »Der emporsteigende Rauch kann erst aus der Nähe gesehen werden. Es gab hier mehr als ein Dutzend strategischer Punkte, an denen fünfzig Taitok ein ganzes Regiment in den Schwitzkasten nehmen konnten.
    Aber jetzt müssen sie fort. Die ganze Gegend wurde zur Sperrzone erklärt.«
    »Militärgebiet?«
    »Ausnahmsweise haben wir unrecht. Ich habe kürzlich erfahren, daß im Grenzgebiet, etwa achtzig Kilometer westlich von hier, ein neues Uraniumlager entdeckt wurde. Das Mineral enthält eine hohe Konzentration von Uran – im Durchschnitt zweieinhalb Promille.
    Gemeinsam mit Mali plant die algerische Regierung den Bau einer 313
    Fabrik, in der das Mineral in konzentriertes Pulver von fünfundsechzig Prozent verwandelt wird. Das gibt doch Sinn, oder?
    In den nächsten Monaten bauen sie hier eine Straße, sie werden mit Bulldozern und Baggern kommen und hupen ohne Ende. Die jungen Taitok können mit Pickel und Schaufel arbeiten und dabei etwas verdienen. Die anderen müssen weg. Höhere Staatsgewalt, was sollen sie machen?«
    »Nichts«, sagte ich matt. Elias fuhr fort:
    »Als ich klein war, flöß hier ein Bach mit frischem, klarem Wasser.
    Fische – die wir niemals fangen – glitten unter die Steine, nachts quakten Frösche. Blaue Schmetterlinge schaukelten in der Sonne, und Libellen setzten sich auf unsere Hand. Am Fuß der Felswand lagen drei kleine Becken übereinander; randvoll waren sie, und die Fläche fast wellenlos. Nicht einer dieser Seen trat über den Rand seines Beckens. Das Wasser stieg durch unterirdische Kanäle empor.
    Wir konnten in den Seen baden. Das Wasser war eiskalt und duftete nach Gräsern.«
    »Und heute?« fragte ich.
    Elias sah mich ein paar Sekunden lang an, bevor er langsam den Kopf schüttelte.
    »Vor ein paar Jahren setzte die Trockenheit ein. In den Becken war nur noch Schlamm, dann wurde auch dieser grau, und schließlich gab es das Wasser nicht mehr.«
    Ich wandte den Blick von ihm ab, betrachtete die Felsbrocken, zwischen denen sich die Piste in scharfen Kurven hinabwand. Die Wände waren grau, von einem uralten und trostlosen Grau. Eine Art feinkörniger Asche bedeckte jeden Gesteinsvorsprung, die engste Spalte.
    »Wie kommen wir da hinunter?«
    »Laß die Zügel fahren und halt dich am Sattelkreuz fest. Die Mehara schaffen das schon.«
    Wir begannen den Abstieg; ich überließ mich völlig meiner Stute.
    Leicht und behende fanden die Tiere ihren Weg, wobei sich ihre weichen Sohlen wie Saugnäpfe über die Steine legten. Bald tilgte ihre Unbeschwertheit das Unbehagen, das ich anfänglich empfunden hatte. Die Kamele schienen für solche Wege geboren. Auf der rauhen Oberfläche der Piste häufte sich poröses Gestein, mit Glitzer durchsetzt. Es sah aus, als lägen Luftkissen zwischen den zerbröckelten Schichten. Bald wurde der Hang flacher. Es dauerte nicht lange, und wir hatten

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