Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wuestenmond

Wuestenmond

Titel: Wuestenmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
Vom Netzwerk:
kannst sie später haben«, sagte Olivia. »Solche Satteltaschen sind heute kaum noch zu finden. Zara hat sie für mich angefertigt.«
    Die Frauen der Tuareg hatten viel Muße und waren in solchen Arbeiten sehr geschickt. Das frische Leder wurde gegerbt und gewalkt, bis es weich und biegsam wurde wie Samt. Früher wurden alle Farben aus Pflanzen oder Mineralien hergestellt und waren sehr haltbar. Die heute verwendeten Anilinfarben waren längst nicht mehr so lichtecht. Die Frauen arbeiteten mit einfachen Mitteln: einem kleinen Messer, Pfriem und Polierholz. Linienornamente entstanden durch Ablösen der Oberhaut und wurden mit Seidengarn bestickt.
    Lange, schwere Fransen gaben jedem dieser Kunstwerke ein prachtvolles Aussehen.
    »Erzähl mir von Zara«, bat ich. »Du hast gesagt, du hast Briefe…«
    Sie nickte.
    »Aus den Augen, aus dem Sinn, das gibt es für die Tuareg nicht.
    Zara und ich blieben immer in Verbindung. Aflane schrieb die Briefe für sie. Daß sie Schweres durchgemacht hat, erwähnte er nur 43
    beiläufig. Er mußte vorsichtig sein. Und später, als er mich besuchte, hatte er diesen verdammten Schnüffler bei sich…«
    »Welchen Schnüffler?«
    »Aflane war Depute, Abgeordneter im algerischen Parlament, das weißt du doch. Ein exponierter Posten. Aflane kam mit einem geschniegelten Kerlchen nach Brüssel, angeblich sein Sekretär, der ihn keine Sekunde aus den Augen ließ. Ich wollte, daß Aflane bei mir übernachtete, wie es sich gehört, aber der kleine Lackaffe sagte nein, Monsieur le Depute würde im Hilton logieren. Am liebsten hätte ich ihm einen Tritt in den Hintern verpaßt. Daß Politiker Schmarotzer sind, brauche ich dir nicht zu sagen. Aber, wie ich Aflane kenne, hatte er die Laufbahn nicht bloß aus Eigennutz eingeschlagen. Es sieht schlimm aus für die Tuareg. Vielleicht dachte Aflane, daß er etwas bewirken konnte. Zumindest nehme ich es an.«
    »Hast du mit ihm sprechen können?«
    »Nichts Persönliches, nein. Der Spitzel klebte ja an ihm wie eine Klette. Stand sogar vor der Toilette Wache. Und als Aflane festgenommen wurde, da habe ich sofort gedacht, jetzt ist ihm ein Fehler unterlaufen.«
    »Olivia, ich verstehe in keiner Weise…«
    »Nein, natürlich nicht. Du hast ja keine Ahnung von alldem. Na gut, Aflane kam ins Gefängnis. Die Geschichte liegt bald zwei Jahre zurück. Und seitdem schreibt Elias die Briefe für Zara. Ich frage jedesmal, ob sie Aflane freigelassen haben. Elias antwortet stets ausweichend. Sein Vater sei noch in Haft, die Untersuchungen wären noch nicht abgeschlossen, und man dürfe ihn nicht besuchen. Ich weiß nicht, ob ich Elias glauben soll oder nicht. Jetzt bin ich schon ein halbes Jahr ohne Nachricht von ihm. Etwas stimmt nicht.«
    »Elias?« murmelte ich.
    Sie warf mir einen mißbilligenden Blick zu.
    »Tu nicht so einfältig. Aflanes Sohn, selbstverständlich. Du hast ihn doch im Lager gekannt.«
    Mir fielen ein paar Kinder ein, kleinere und größere, mit denen ich auf Dünenkämme geklettert war. Wir sprangen, überschlugen uns und rollten die steilen Flanken hinab. Das machte uns großen Spaß.
    Aber es war kein Gesicht darunter, an das ich mich hätte erinnern können.
    Olivia zuckte mit den Schultern und fuhr fort:
    »Seine Mutter Amenena war die schönste Frau, die ich je gesehen 44
    habe. Eine Bilderbuch-Targuia. Neben ihr kam ich mir wie ein Pudding vor, und manchmal fragte ich mich, was Chenani eigentlich an mir fand. Elias ging später nach Amerika«, setzte sie hinzu, als ob dergleichen selbstverständlich wäre.
    »Davon hast du mir nichts gesagt.«
    »Doch. Aber du hattest andere Dinge im Kopf.«
    Wie merkwürdig, dachte ich, daß es in meiner Familie Menschen gab, von denen ich kaum eine Vorstellung hatte. Es stimmte schon, daß ich mich von alldem entfernt hatte.
    Olivia fuhr fort:
    »Elias blieb über ein Jahr in den Staaten. Was er da eigentlich gemacht hat, weiß ich nicht. So ziemlich alles, kann ich mir vorstellen. Bei seiner Rückkehr nach Tarn besorgte ihm sein Vater einen Job bei der Präfektur.«
    »Ist er noch dort?«
    »Schätze, ja.«
    »Soll ich Zara schreiben, daß ich komme?«
    Sie nickte.
    »Ja, das wäre gut. Elias wird ihr den Brief übersetzen. Und vielleicht kannst du etwas über Aflane in Erfahrung bringen. Die Sache liegt mir auf der Seele.«
    Während wir sprachen, sah ich, wie die Ledertasche leicht hin und her zuckte. Ein paar Fransen hoben sich; ein winziger dunkler Kopf lugte hervor, und eine Maus kroch den

Weitere Kostenlose Bücher