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Wuestenmond

Wuestenmond

Titel: Wuestenmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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sie wieder zu Kräften. Und noch später, als Olivia abreiste, tat ich wieder etwas, was sonst keine Frau getan hätte: Ich schenkte ihr mein Instrument. Ich kann nicht einmal jetzt sagen, ob es aus dem Wunsch heraus geschah, ihr zu helfen, oder aus Trauer, weil ich meinen jüngsten Sohn verloren hatte und nie mehr spielen wollte…«
    Zaras Stimme brach. Ihr Kopf sank auf die Brust. Es schien, als sei sie plötzlich eingeschlummert. Ich sagte ziemlich laut, um sie zu wecken:
    »Olivia hat den Imzad noch heute. Aber ich weiß nicht, ob sie gut oder schlecht spielt.«
    Zara schrak auf, hob den Kopf.
    »Ob gut oder schlecht, das hat nichts zu bedeuten. Es ist die Seele, die lauscht. Man sagt, daß eine Targuia, die sich von ihrem Imzad trennt, zehn Jahre von ihrem Lebensfaden abschneidet. Aber das stimmt nicht. Meine Kinder sind gegangen, und ich bin noch da. Ich bin alt geworden, so alt. Wer weiß, wozu das gut ist? Es ist so eine Last.«
    Auf einmal fühlte ich mich unbehaglich. Ich hatte ein Warnzeichen empfangen. Irgend etwas Störendes schwebte zwischen uns in der Luft. Zara hatte etwas gesagt, dem ich keine Beachtung geschenkt hatte, und mir fiel im Augenblick nicht ein, was es gewesen war.
    »Du bist müde«, sagte ich. »Das ist ganz normal.«
    Sie strich ihren Schal glatt, lächelte mit ihrem zahnlosen Mund.
    »Müde, nein. Ich schließe nur die Augen. Nachts schlafe ich schlecht und wache morgens zu früh auf. Warum kann ich nicht schlafen?
    Was hat das alles noch für einen Sinn? Ich denke oft, es ist vorbei.
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    Und dann wieder denke ich, es geht weiter, oder vielmehr: Es kommt zurück.«
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9. Kapitel
    M ein Unbehagen wuchs. Zara hatte etwas gesagt, das ich vergessen hatte. Mir fiel der Zusammenhang nicht ein. Warum hatte ich nur nicht besser zugehört?
    Zaras Augen blickten wieder wach. Sie wollte, daß ich von mir erzählte, fragte nach meinen Plänen. Ich erzählte vom Filmen; alle hörten erwartungsvoll zu, weil mein Besuch ein Ereignis in ihrem gleichförmigen Leben war. Aber ihre Fragen klangen hilflos, es war nicht ihre Welt, wahrhaftig nicht. Es gab andere Dinge, über die ich besser mit ihnen sprechen konnte.
    »Ich bin geschieden.«
    »Ach!«
    Beide Frauen wurden sofort lebhaft. Das interessierte sie mächtig.
    Lia gab ein schnalzendes Kichern von sich. Matali lehnte sich zurück, die Hände um die klobigen Knie geschlungen, beide Füße fest auf den Teppich gepreßt. Eine Haltung, die, wie ich später erfahren sollte, bei den Tuareg große Gespanntheit ausdrückte. Zara nickte mir bedeutungsvoll zu.
    »Bist du mit deinem Mann nicht gut ausgekommen?«
    »Wir verstanden uns nicht«, sagte ich.
    Sie blinzelte mir zu.
    »Als Siebzehnjährige verliebte ich mich in Bekri. Ein hübscher Kerl, o ja! Aber ein Taugenichts. Bevor Aflane auf die Welt kam, da hatte ich ihn schon vor das Zelt gesetzt.«
    »Wie soll ich das verstehen?«
    Zaras Reaktion überraschte mich. Sie schnippte mit den Fingern und erzeugte ein Geräusch ähnlich dem eines Peitschenknalls.
    »Die Algerier haben zwei Gesetze: eines für Männer und eines für Frauen. Das für Frauen ist nicht gut. Eine geschiedene Frau muß ihr Haus verlassen, die Kinder gehören dem Vater. Ich weiß nicht, was sich die Algerier dabei denken. Hat der Mann Brüste, daß er die Kinder ernähren kann? Bei uns war das Zelt Eigentum der Frau.
    Wollte sie ihren Mann loswerden, stellte sie einfach seine Habe nach draußen. Der Mann wußte, was das hieß: Verschwinde und komm bloß nicht wieder! Die Frau behielt die Kinder, wie es sich gehört.«
    Ich überlegte.
    »Dann warst du also zweimal verheiratet, Großmutter?«
    Ihre Lippen zuckten.
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    »O ja. Leute wie Chenanis Vater findest du selten. Hiram war kein schöner Mann, aber ein guter.«
    Lia brach in Lachen aus. Matali gluckste vergnügt, wippte leicht auf den Fersen auf und nieder. Daß Chenani und Aflane Halbbrüder waren, hatte mir bisher keiner gesagt, auch Olivia nicht. Ob sie die Geschichte wohl kannte? Ja, wahrscheinlich schon, dachte ich.
    Inzwischen beugte sich Zara vor, legte die Hand auf mein Bein.
    »Eine geschiedene Frau soll sich mit schönen Männern vergnügen.
    Und erst dann wieder heiraten, wenn sie einen Guten findet.«
    Ich schüttelte belustigt den Kopf.
    »Mir ist noch keiner über den Weg gelaufen.«
    »Warte ab. Du bist jung. Aber gut muß er sein, das sage ich dir im Ernst. Sonst lohnt sich die Sache nicht.«
    Matali ließ frisches Wasser auf der Glut heiß werden, und füllte

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