Wuestentochter
weiß.« Hila bespritzte ihre Freundin mit Wasser. »Während des psarlay werden die Verlobungen offiziell bekannt gegeben. Und obwohl alle so tun, als kämen diese Neuigkeiten für sie völlig überraschend, wissen sie in Wirklichkeit schon seit Monaten Bescheid … oder wie in Ambrenns Fall seit Jahren.« Sie grinste, Abi Gul kicherte, und die arme Ambrenn errötete noch tiefer.
»Du wist also heiraten?«, sagte Khalidah weich, fragte sich dabei aber, ob jetzt Glückwünsche oder Beileidsbekundungen angebracht waren.
Ambrenn sah zu ihr auf. Ihre leuchtenden Augen und rosigen Wangen verrieten Khalidah, dass Ersteres der Fall war. »Ja«, hauchte sie. »Wenn wir beide aus unserer ersten Schlacht zurückkehren.«
»Was heißt, dass sie und Mirzal sich ihre Keuschheit noch eine Weile bewahren müssen«, neckte Hila sie.
»Woher willst du denn wissen, dass sie keusch geblieben sind?«, gluckste Abi Gul.
»Daran besteht ja wohl kein Zweifel«, gab Hila zurück. »Ambrenn ist zu gut erzogen, um irgendwelche diesbezüglichen Andeutungen zu machen und Mirzal zu weltentrückt, um selbst die Initiative zu ergreifen.« Sie und Abi Gul erstickten fast an unterdrücktem Gelächter, woraufhin sich Ambrenn erhob, ihr Gewand um sich schlang und davonrauschte. Die anderen beiden Mädchen wurden augenblicklich ernst.
»Oh je, jetzt werden wir zu Kreuze kriechen müssen«, seufzte Abi Gul. »Dabei sollte sie mittlerweile doch wirklich wissen, dass wir sie nur aus Neid so aufziehen.«
»Dann ist keine von euch beiden verlobt?« Khalidah hoffte inständig, mit dieser Frage nicht die Grenzen der Schicklichkeit überschritten zu haben.
Abi Gul schüttelte den Kopf. »Wir sind alle noch frei wie die Vögel … obwohl das Gerücht umgeht, dass Sarbaz beim psarlay um Shahascina anhalten will. Er läuft ihr ja wirklich schon lange genug nach, aber sie lässt ihn zappeln … nun, wir werden ja sehen. Kommt jetzt, wir sollten sehen, dass wir uns bei Ambrenn entschuldigen, ehe sie so eingeschnappt ist, dass sie uns das Fest verdirbt.« Die drei jungen Frauen streiften ihre Gewänder über, sammelten ihre Habseligkeiten zusammen und kehrten zum Schlafsaal zurück.
Hier herrschte jetzt erstaunlicherweise Ruhe und Ordnung, wofür Khalidahs Meinung zufolge die ältere Frau verantwortlich war, die in der Mitte des Raumes kauerte und das Feuer schürte. Sie mochte Anfang zwanzig sein, war groß und schlank und hatte blauschwarz schimmerndes, zu Zöpfen geflochtenes Haar und eine auffallend weiße Haut. Abi Gul führte Khalidah zu ihr und stellte sie ihr vor.
»Zhalai, dies ist Bibi Khalidah. Bibi Khalidah, das ist Zhalai, unsere mor - also Mutter.«
Zhalai verbeugte sich lächelnd vor Khalidah, und als sie deren Verwirrung bemerkte, erklärte sie: »Mor ist ein relativer Begriff. Ich beaufsichtige die Mädchen in diesem Schlafsaal für die Zeit, die sie hier leben, übernehme also sozusagen die Pflichten ihrer eigenen Mütter. Daher bin ich so etwas wie eine Ehrenmutter für sie - und es ist mir eine Ehre, dass du in meinem Haus wohnst, Bibi Khalidah.« Wieder verneigte sie sich, und diesmal besann sich Khalidah auf ihre Manieren und erwiderte die Höflichkeitsbezeugung. Zhalai musterte sie forschend. »Ich hoffe, Abi Gul kümmert sich gut um dich?«
»Oh ja«, bestätigte Khalidah. »Vielen Dank.«
»Dank nicht uns.« Zhalais Gesicht wurde plötzlich ernst. Sie holte Luft, als wolle sie noch etwas hinzufügen, besann sich dann aber und bedachte Khalidah nur mit einem eigenartigen Blick von der Art, den sie an diesem Tag schon von mehreren Angehörigen des Volkes ihrer Mutter aufgefangen hatte. Es flößte ihr Unbehagen ein, dass diese Leute anscheinend irgendetwas von ihr erwarteten, worum sie nicht geradeheraus zu bitten wagten. »Du solltest dich jetzt fertig machen«, sagte Zhalai endlich und widmete sich wieder ihrem Feuer.
Khalidah wollte Abi Gul fragen, was das alles zu bedeuten hatte, aber das Mädchen war - vielleicht um genau dieser Frage auszuweichen - in einen Wortschwall ausgebrochen. »Dein Kleid liegt auf deinem Bett«, erklärte sie gerade. »Wenn du es angezogen hast, helfe ich dir mit dem Rest.«
Khalidah nickte. Erst jetzt bemerkte sie, dass jemand auf ihrem Lager ein weiteres weißes Wollgewand ausgebreitet hatte, das feiner gewoben und weitaus kunstvoller bestickt war als das, was sie trug. Als sie es überstreifte, fragte sie sich, wer diese Gewänder wohl für sie angefertigt hatte, sie saßen perfekt und
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