Wunder
roch. Ich wusste nur, dass es viel Arbeit war, in das Kostüm hineinzukommen, und dass Dad wartete und total ungeduldig werden würde, wenn er meinetwegen zu spät kam. Also warf ich mir in letzter Minute das Scream-Kostüm vom letzten Jahr über. Das war so ein einfaches Kostüm: bloß ein langer schwarzer Umhang und eine große weiße Maske. Von der Tür rief ich beim Rauslaufen noch »Ciao«, aber Mom hörte mich gar nicht.
»Ich dachte, du gehst als Jango Fett«, sagte Dad, als ich rauskam.
»Boba Fett!«
»Ist ja egal«, sagte Dad. »Das ist sowieso das bessere Kostüm.«
»Ja, es ist cool«, erwiderte ich.
Scream
An diesem Morgen über die Flure zu den Schließfächern zu gehen – das muss ich echt sagen – war absolut fantastisch. Alles war jetzt anders. Ich war anders. Ging ich normalerweise mit gesenktem Kopf und versuchte, nicht gesehen zu werden, so trug ich heute den Kopf hoch und schaute mich um. Ich wollte gesehen werden. Ein Schüler, der genau dasselbe Kostüm trug wie ich, das lange weiße Totenschädelgesicht mit dem herablaufenden Kunstblut, gab mir Fünf, als wir auf der Treppe aneinander vorbeikamen. Ich habe keine Ahnung, wer das war, und er hatte keine Ahnung, wer ich war, und einen Moment lang fragte ich mich, ob er das jemals gemacht hätte, wenn er gewusst hätte, dass ich unter der Maske steckte.
Ich begann so langsam zu glauben, dass dieser Tag als einer der fantastischsten Tage in die Geschichte meines Lebens eingehen würde, aber dann kam ich in Homeroom an. Das erste Kostüm, das ich sah, als ich zur Tür hereinkam, war Darth Sidious. Es bestand aus einer dieser lebensecht aussehenden Gummimasken und einer großen schwarzen Kapuze, die man sich über den Kopf zog, und einem langen schwarzen Gewand. Ich wusste natürlich sofort, dass es Julian war. Er musste sich in letzter Minute für ein anderes Kostüm entschieden haben, weil er glaubte, dass ich als Boba Fett kommen würde. Er sprach gerade mit zwei Mumien, die Miles und Henry sein mussten, und alle schauten dabei irgendwie Richtung Tür, als würden sie auf jemanden warten. Ich wusste, dass es kein Scream-Killer war, nach dem sie Ausschau hielten. Es war ein Boba Fett.
Ich war schon drauf und dran, mich an meinen eigenen Tisch zu setzen, aber aus irgendeinem Grund, ich weiß auch nicht, warum, ging ich plötzlich auf einen Tisch in ihrer Nähe zu. Und ich konnte sie reden hören.
Eine der Mumien sagte: »Es sieht echt voll aus wie er.«
»Der Teil hier besonders …«, antwortete Julian. Er legte die Finger auf die Wangen und Augen seiner Darth-Sidious-Maske.
»Eigentlich«, sagte die Mumie, »sieht er aus wie einer von diesen Schrumpfköpfen. Habt ihr mal so einen gesehen? Genau so sieht er aus.«
»Ich finde, er sieht aus wie ein Ork.«
»Ja, genau!«
»Wenn ich so aussehen würde«, sagte die Julian-Stimme mit einem komischen Lachen, »ich schwör bei Gott, dann würd ich mir jeden Tag ne Kapuze übers Gesicht ziehen.«
»Ich hab viel darüber nachgedacht«, sagte die andere Mumie und klang ernst. »Und ich glaub echt … wenn ich wie er aussehen würde, ganz im Ernst, ich glaub, dann würd ich mich umbringen.«
»Würdest du nicht«, antwortete Darth Sidious.
»Doch, echt«, sagte dieselbe Mumie mit Nachdruck. »Ich kann mir nicht vorstellen, jeden Tag in den Spiegel zu gucken und mich so zu sehen. Das wär zu schrecklich. Und dann die ganze Zeit angeglotzt zu werden.«
»Warum hängst du denn dann so viel mit ihm ab?«, fragte Darth Sidious.
»Weiß ich nicht«, antwortete die Mumie. »Pomann hat mich am Anfang des Schuljahres gebeten, mich ein bisschen um ihn zu kümmern, und er muss allen Lehrern gesagt haben, dass sie uns in all unseren Fächern nebeneinandersetzen sollen oder so.« Die Mumie zuckte mit den Schultern. Ich kannte das Schulterzucken natürlich. Ich kannte die Stimme. Ich wollte auf der Stelle aus dem Klassenzimmer rennen. Aber ich blieb stehen, wo ich war, und hörte Jack Will zu, wie er weitersprach: »Ich meine, es ist halt so: Er läuft mir ewig hinterher. Was soll ich denn da machen?«
»Lass ihn einfach links liegen«, sagte Julian.
Ich weiß nicht, was Jack darauf antwortete, denn ich ging aus dem Klassenzimmer hinaus, ohne dass jemand mitbekommen hatte, dass ich da gewesen war. Mein Gesicht fühlte sich an, als stünde es in Flammen, während ich die Treppe wieder hinunterging. Ich schwitzte unter meinem Kostüm. Und ich fing an zu heulen. Ich konnte nichts dagegen machen. Die
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