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Wunderwaffe: Kriminalroman (German Edition)

Wunderwaffe: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Wunderwaffe: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Thiel
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nicht. Er unterdrückte den Impuls, sich aus dem Zimmer zu schleichen.
    Dann endlich legte Rohn sich nieder. Die Matratze federte mehrmals nach. Doch erst als wirres Gemurmel von Rohn ausging, erlaubte auch Nikolas sich, einzuschlafen.
    In seinen Träumen stand er in dieser Masse aus Menschen und blickte in Gewehrläufe. Aber statt krachenden Schüssen hörte er Genickknochen brechen.

Kapitel 11
     
    – Die vielen Gesichter eines Mädchens –
     
    Nikolas traute seinen Augen nicht, als er am nächsten Morgen schlaftrunken das andere Zimmer betrat. An dem üppig gedeckten Frühstückstisch saß die Blondine auf Rohns Schoß und fütterte ihn mit einem Marmeladenbrot. Die Würgemale an ihrem Hals stachen bläulich hervor und bildeten einen scharfen Kontrast zu ihrer roten Bluse. Erst als Nikolas die Hosenträger auf sein Hemd klatschen ließ, wurden die beiden aus ihrer Vertrautheit gerissen.
    »Morgen«, grinste Rohn und nahm einen großen Schluck Kaffee. »Yvette kennst du ja bereits.«
    Sie nickte ihm mit rosigen Wangen zu, als hätte es den gestrigen Tag nie gegeben. »Bonjour.«
    Hatte Rohn die Frau nicht bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt? Wie konnte sie nun auf seinem Schoß sitzen und mit ihm flirten? Die Gedanken nach dem Wie und Warum schob er beiseite. Manche Menschen sind einfach anders, handeln und denken nicht nach gängigen Maßstäben. Egal. Es gab Wichtigeres zu tun. Claire lehnte an Mareks Bett. Sie sah besorgniserregend aus. Ihre Haut war noch heller und bleicher als sonst. Aber heute zeigte sie nicht den makellosen Teint ihres ersten Treffens. Die Augen waren blutunterlaufen und unter ihrer rötlich schimmernden Nase war die Haut gereizt. Bei dem gestrigen Schlag hatte Rohn gut getroffen.
    »Wie geht es dir, Claire?« Als Nikolas sie ansprach, sah sie zu ihm. »Fehlt dir irgendwas?«
    »Mir geht es gut«, dabei strich sie über ihr Gesicht. Es kam Nikolas so vor, als würde sie sich eine Träne von der Wange wischen. »Nur Marek leider nicht. Sein Zustand hat sich über Nacht stark verschlechtert. Er muss dringend operiert werden. Es wird Zeit, dass der Arzt eintrifft.«
    Nikolas nickte gequält und setzte sich zu Rohn und Yvette. Während er versuchte, deren Gekicher zu ignorieren, kaute er lustlos auf seinem Frühstück rum.
    So viel konnte passieren zwischen Düsseldorf und Paris. Der Arm der Gestapo war lang, ganz zu schweigen von ihren Abhörmethoden.
    Als Rohn schließlich zu dem Jungen gegangen war, um ihm Gesellschaft zu leisten, hielt es Nikolas nicht mehr auf den Holzkisten aus.
    Auf dem Balkon zündete er sich eine Zigarette an. So überfüllt und vom Leben bevölkert der Montmartre in der Nacht war, so ausgestorben wirkte der Hügel am Tag. Ganz vereinzelt huschte jemand über die Straße, als würde ein drohendes Unheil über der Stadt liegen.
    »Hast du auch eine für mich?«
    Nikolas schrak zusammen, als Claire sich amüsiert neben ihn stellte. Sie trug einen hellen Mantel, der ihr bis zu den Knien reichte, und hatte die Haare zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden.
    »Du siehst traurig aus«, stellte Nikolas fest, als er ihr Feuer gab.
    »Es sind traurige Zeiten.«
    »Was wirst du mit … nun ja … dem Ding in Mareks Bauch machen, wenn wir es haben?«
    Sie mied seinen Blick. »Es weiterleiten an …«
    »An deine ›Beziehungen‹, habe schon verstanden.« Er hatte sie etwas zu schroff unterbrochen. Er wurde das Gefühl nicht los, dass sie ihm etwas verheimlichte. »Vielleicht an Pâquerette?«
    Claire verschluckte sich beinahe am Rauch, als sie laut auflachte. Er kam sich vor, als hätte er etwas unheimlich Dämliches gesagt.
    »Du glaubst tatsächlich an diese Geschichte?«
    »Du nicht?«
    Zum ersten Mal hatte sich ihr ernster Gesichtsausdruck gewandelt. Ihr Lachen war hell und herzlich und der sorgenvolle Ausdruck war für einen Moment verschwunden. Es tat gut, sie so zu sehen.
    »Pâquerette ist ein Mythos, erschaffen, um der Wehrmacht Angst zu machen. Ich bitte dich, Nikolas … Ein Kämpfer für ein freies Paris, der alle Fäden in der Hand hält und mit den Briten und Amerikanern in Kontakt steht? Der von hier aus alles organisiert?« Sie ging einen Schritt auf ihn zu, die Arme verschränkt, in ihrer Hand die Zigarette. »Das müsste sich doch auch für dich mehr nach einer Legende anhören. Jedes Kind stellt mittlerweile ein paar Gänseblümchen neben seine Schmiererei an einer Hauswand.«
    Sie standen nun dicht zusammen.
    »Getrocknete Gänseblümchen«, korrigierte

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