. . . Wurde Sie Zuletzt Gesehen
abgestattet haben.« Sein ruhiger Ton konnte sie nicht täuschen, aber sie schüttelte nur den Kopf und lächelte, als könne sie nicht glauben, was sie eben gehört hatte.
»Das ist doch wohl nicht Ihr Ernst, Inspector.«
»Ich führe Ermittlungen in einem Mordfall durch, Mrs. Phillipson, da pflege ich nicht zu spaßen.«
»Sie denken doch nicht – Sie können doch nicht wirklich annehmen, daß ich mit diesem Mord irgend etwas zu tun habe. Ich habe ihn ja kaum gekannt!«
»Letzteres ist in diesem Fall nicht von Belang.« Sie verstand nicht, was diese Bemerkung sollte, und runzelte verwirrt die Augenbrauen.
»Und was ist – um Ihre Worte zu gebrauchen – von Belang?«
»Das habe ich Ihnen eben versucht zu erklären, Mrs. Phillipson.«
»Ich finde, Inspector, es ist an der Zeit, endlich zu erkennen zu geben, was Sie eigentlich hier wollen. Wenn Sie mir etwas zu sagen haben, dann tun Sie das bitte. Wenn nicht …«
Morse bewunderte heimlich ihren Kampfgeist, das änderte jedoch nichts an seinem Entschluß, sie zum Reden zu bringen.
»Mochten Sie Mr. Baines?« Es klang fast wie eine persönliche Frage.
Sie öffnete den Mund, besann sich und schwieg dann doch. Wenn Morse bisher noch leise Zweifel hatte, so war er sich jetzt seiner Sache sicher.
»Ich sagte Ihnen doch vorhin schon, daß ich ihn kaum gekannt habe.« Keine besonders gute Antwort, aber etwas Besseres war ihr nicht eingefallen.
»Wo waren Sie am Montagabend, Mrs. Phillipson?«
»Zu Hause natürlich. Ich bin fast immer zu Hause.«
»Wie spät war es, als Sie das Haus verließen?«
»Was soll das, Inspector? Ich sagte Ihnen doch gerade …«
»Haben Sie die Kinder allein gelassen?«
»Natürlich nicht – ich meine, das würde ich nie tun. Das brächte ich nicht fertig.«
»Um welche Zeit kamen Sie zurück?«
»Zurück? Von wo zurück?«
»War Ihr Mann vor Ihnen wieder zu Hause?«
»Mein Mann war am Montagabend nicht da. Er war im Theater, im Playhouse , eine Aufführung …«
»Er saß in Reihe M auf Platz 14.«
»Wenn Sie das sagen, wird es wohl stimmen. Er war gegen elf Uhr wieder hier.«
»Zehn vor, seiner eigenen Aussage nach.«
»Meinetwegen auch zehn vor. Ist das so wichtig?«
»Sie haben mir noch immer meine Frage nicht beantwortet, Mrs. Phillipson.«
»Welche Frage?«
»Wann Sie am Montagabend wieder zurückgekehrt sind.«
»Sie glauben doch wohl nicht, ich würde abends einfach weggehen und die Kinder …?«
»Ob einfach oder nicht, Mrs. Phillipson, wohin sind Sie gegangen? Haben Sie den Bus genommen?« Seine Fragen kamen so schnell, daß ihr keine Zeit zum Überlegen blieb.
»Ich bin nirgendwohin gegangen. Warum begreifen Sie das nicht endlich? Ich kann doch die Kinder nicht sich selbst überlassen …«
Morse unterbrach sie erneut. Er wußte, daß sie es nicht mehr lange durchhalten würde, ihre Stimme war schrill vor Panik.
»Sie haben also die Kinder nicht allein zurückgelassen. Ich verstehe. Natürlich lieben Sie Ihre Kinder und würden das nie tun. Sie sind noch zu klein, als daß man das mit ihnen machen dürfte. Wie alt sind sie eigentlich?«
Sie wollte antworten, aber er fuhr rücksichtslos und unerbittlich fort.
»Aber es gibt zum Glück die Möglichkeit, einen Babysitter zu holen. Haben Sie davon vielleicht schon mal gehört, Mrs. Phillipson? Das ist jemand, der zu ihnen nach Hause kommt und auf Ihre Kinder aufpaßt, während Sie weg sind. Soll ich anfangen nachzuforschen, oder wollen Sie es mir selbst sagen? Ich werde es herausfinden, Mrs. Phillipson, dessen seien Sie versichert. Nachbarn, Freunde – ich würde sie mir der Reihe nach alle vornehmen, bis ich weiß, wer es war. Wäre Ihnen das wirklich recht, Mrs. Phillipson? Ich finde, Sie verhalten sich im Moment sehr unvernünftig. Sie handeln gegen Ihre eigenen Interessen.« Er sprach jetzt langsam und sehr ruhig. »Ich weiß, wo Sie am Montagabend waren. Es hat Sie jemand gesehen, wie Sie vor seiner Haustür standen. Und falls Sie mir jetzt erzählen würden, warum Sie dort hingegangen sind und was Sie dort getan haben, ersparten Sie sich selbst Unannehmlichkeiten und mir eine Menge Zeit und Arbeit. Wenn nicht, dann sehe ich mich leider gezwungen …«
Sie schrie ihn an: »Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen! Warum hören Sie nicht endlich auf? Lassen Sie mich doch in Ruhe!«
Morse lehnte sich in seinem Sessel zurück. Entspannt und keineswegs getroffen. Er sah sich im Zimmer um, und wieder fiel sein Blick auf das Bild über dem
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