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Wurzeln

Wurzeln

Titel: Wurzeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Haley
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kühl hier, und der Tau, der ihn benetzte, fühlte sich gut an. Er schwang sein Messer, als wäre es gewichtslos, und stieß bei jedem Hieb vor Freude Knurrlaute aus. Am frühen Nachmittag gelangte er an einen Bach. Klares Wasser sprudelte über moosbewachsene Steine, und Frösche hüpften erschreckt zur Seite, als er stehenblieb, um aus der hohlen Hand zu trinken. Nachdem er sich umgeblickt hatte, glaubte er, hier eine Weile ausruhen zu können; er ließ sich an der Bachböschung nieder, zog ein Stück gedörrtes Kaninchenfleisch hervor, ließ es vom Wasser des Baches umspülen, steckte es in den Mund und kaute daran. Die Erde unter ihm war weich und federnd, und die einzigen Geräusche, die er hörte, kamen von Fröschen, Insekten und Vögeln. Er lauschte diesen Geräuschen, während er aß, und sah, wie die Sonne das Gezweig über ihm golden färbte. Ein wahres Glück, daß er diesmal nicht unaufhörlich laufen mußte!
    Nachmittags und auch noch nach der Unterbrechung für das Abendgebet wanderte er weiter, bis Dunkelheit und Müdigkeit ihn zwangen, sich niederzulegen. Auf seinem Lager aus Laub und Gras ruhend, nahm er sich vor, später einen Unterschlupf aus gegabelten Zweigen und einem Dach aus Gras zu bauen, wie er es im jujuo gelernt hatte. Der Schlaf kam schnell, doch mehrmals in der Nacht weckten ihn Stechmücken; auch hörte er das Fauchen jagender Tiere.
    Beim ersten Sonnenlicht war Kunta schon wieder auf den Beinen und wanderte weiter, nachdem er sein Messer frisch geschliffen hatte. Bald stieß er auf einen Weg, und obwohl er erkannte, daß der seit langem nicht mehr begangen worden war, flüchtete er in den Wald zurück.
    Tiefer und tiefer bahnte er sich mit dem Messer einen Weg in den Wald hinein. Mehrmals sah er Schlangen, aber auf der toubob- Pflanzung hatte er beobachtet, daß sie nur angriffen, wenn sie sich bedroht fühlten, und so ließ er sie davonhuschen. Ab und zu glaubte er, Hunde bellen zu hören, und dann erschauerte er, denn noch mehr als Menschen fürchtete er die Nasen von Hunden.
    Mehrmals geriet Kunta in Unterholz, wo ihm sein Messer nicht mehr half, so daß er umkehren und sich einen anderen Weg suchen mußte. Zweimal hielt er inne, um das Messer zu schärfen, das immer schneller stumpf zu werden schien, doch als das Schärfen nichts mehr nützte, begriff er, daß das ständige Hauen nach Dornsträuchern, Büschen und Ranken ihn geschwächt hatte. Und so machte er denn wiederum Rast, aß Kaninchenfleisch und wilde Brombeeren und trank dazu Wasser, das er in schalenförmigen Blättern am Fuß von Bäumen fand. Die Nacht verbrachte er an einem anderen Bach, und diesmal störten ihn weder jagende Tiere noch Nachtvögel und auch nicht die Stiche von Insekten, die sein schweißnasser Körper anlockte.
    Erst am nächsten Morgen begann Kunta zu überlegen, wo er eigentlich hin wollte. Das hatte er bis jetzt absichtlich nicht getan. Er ahnte nicht, wo er sich befand; er hielt es für das Beste, die Nähe von Menschen, Schwarzen wie toubobs , zu meiden und Richtung Sonnenaufgang zu wandern. Die Landkarten von Afrika, die er als Junge gesehen hatte, zeigten das große Meer im Westen, folglich würde er es einmal erreichen, wenn er sich in östlicher Richtung hielt. Doch als er sich vorzustellen versuchte, wie er das große Meer überqueren wollte, selbst wenn er ein Boot fand, da bekam er es mit der Angst. Im Weitergehen betete er mehrmals und tastete immer wieder nach dem Talisman an seinem Arm.
    Als er nachts unter einem Busch verborgen lag, mußte er an den Helden der Mandinkas denken, an Sundiata, den verkrüppelten Sklaven, den sein schwarzer Herr so übel behandelte, daß er floh und sich in den Sümpfen verbarg, wo er auf andere entflohene Sklaven stieß, aus denen er eine Kriegerschar bildete, mit der er dann das große Mandinkareich gründete. Vielleicht, so dachte Kunta, als er an diesem vierten Tag morgens aufbrach, finde ich irgendwo hier in diesem toubob- Land andere geflohene Afrikaner, und vielleicht haben sie die gleiche Sehnsucht nach Afrika wie ich. Wenn wir zahlreich genug sind, können wir vielleicht einen großen Kahn bauen oder stehlen, und dann …
    Kuntas Zukunftsträume wurden jäh durch ein schreckliches Geräusch unterbrochen. Sein Schritt stockte. Nein, das war unmöglich! Und doch, es gab keinen Zweifel: das war Hundegebell. Verzweifelt hieb er auf das Buschwerk ein, stolperte vorwärts, stürzte, raffte sich wieder auf. Bald war er so müde, daß er einfach

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