Wurzeln
Name der Gerechten ist gesegnet, aber der Name des Bösen wird verderben!«
»Barmherziger Gott!« rief Großmutter Kizzy aus.
Hühner-George erhob sich wütend. »Gut. Mir soll’s recht sein! Wer von euch wird’s dem Masser sagen, daß wir’s nicht tun?« Er stand da und starrte sie an. Er hatte genug von all der Nörgelei in seinem eigenen Haus. Und er hatte mehr als genug von Matildas ewigen Verdammungen, die sie sich aus der Bibel holte. Er zerbrach sich den Kopf auf der Suche nach irgend etwas, das er einmal gehört hatte, und da fiel es ihm ein. »Dann nennt ihn halt Tom den Täufer!« Er rief es so laut, daß die Gesichter seiner drei Söhne in der Tür zur Schlafkammer auftauchten, und das neugeborene Baby begann zu schreien, als Hühner-George aus der Hütte stapfte.
Um die gleiche Zeit saß Masser Lea an seinem Schreibtisch im Wohnzimmer des Herrenhauses, tunkte seine Feder ein und schrieb behutsam auf das Vorsatzblatt seiner Bibel eine fünfte, mit Datum versehene Geburtseintragung: »20. September 1833. Ein Knabe von Matilda geboren. Name Tom Lea.«
Als George wütend fortging, ärgerte er sich besonders darüber, daß er eigentlich an Matilda nichts auszusetzen fand. Sie war die beste und treueste Frau, die er sich vorstellen konnte. Aber eine gute Frau mußte nicht notwendigerweise ihren Mann bei jeder Gelegenheit frömmelnd bekritteln, wenn er sich nur einmal menschlich zeigte. Ein Mann hatte schließlich das Recht, sich hier und da in der Gesellschaft von Frauen zu erholen, die Vergnügen an Gelächter, Schnaps und Ulk fanden und die Freuden des Fleisches zu schätzen wußten. Und von all den Reisen, die er in den vergangenen Jahren gemacht hatte, wußte er, daß Masser Lea der gleichen Ansicht war. Wenn sie mit ihren Kampfhähnen in irgendeiner größeren Stadt weilten, blieben sie stets noch einen Tag länger, brachten die Maulesel in einem Stall unter und bezahlten einen Hühnerzucht-Gehilfen dafür, daß er sich um die Tiere in ihren Verschlägen kümmerte, während George und Masser Lea ihre getrennten Wege gingen. Früh am nächsten Morgen trafen sie sich dann an den Ställen, verluden ihre Kampfhähne und fuhren nach Hause – beide mit einem gewaltigen Kater, doch keiner erwähnte je, daß er über das nächtliche Herumstreunen des andern Bescheid wußte.
Der Zorn von Hühner-George hatte sich erst nach fünf Tagen wieder so weit gelegt, daß er an Heimkehr denken konnte. Er war bereit, den beiden Frauen zu vergeben, schritt die Straße bis zum Sklavenquartier hinunter und öffnete die Tür seiner Hütte.
»George, bist du das?« sagte Matilda. »Werden die Kinder aber froh sein, daß Pappy wieder zu Hause ist! Besonders dieser hier – seine Augen waren noch nicht offen, als du zuletzt hier warst.«
Sogleich packte ihn wieder die Wut, und er war drauf und dran, wieder fortzugehen, als er seine drei älteren Söhne – sie waren jetzt fünf, drei und zwei Jahre alt – erblickte. Sie hatten sich dicht aneinandergedrängt und schauten ihn verängstigt an. Er hatte Lust, sie in die Arme zu nehmen und hochzuheben. Bald würde er sie ganze drei Monate lang nicht sehen, wenn er nach New Orleans fuhr. Ja, er würde ihnen ein paar wunderschöne Geschenke mitbringen.
Er setzte sich widerwillig an den Tisch, und Matilda brachte ihm das Essen, setzte sich zu ihm und sprach das Tischgebet. Dann erhob sie sich wieder und sagte: »Virgil, geh mal Oma holen.«
Hühner-George hielt mit dem Kauen inne und schluckte gerade noch hinunter, was er im Munde hatte. Was hatten die beiden nun schon wieder vor? Womit wollten sie ihn jetzt plagen?
Kizzy klopfte an, trat ein, umarmte Matilda, küßte, streichelte und hätschelte die drei Jungen, bevor sie ihren Sohn eines Blickes würdigte. »Wie geht’s? Hab dich lang nicht gesehn!«
»Und wie geht’s dir, Mammy?« Obgleich er wütend war, bemühte er sich um einen munteren Ton.
Seine Mammy ließ sich auf einem Stuhl nieder, nahm Matilda das Baby aus den Armen und sagte ganz freundlich: »George, deine Kleinen wollten dich was fragen –« Sie wandte sich um. »Stimmt’s, Virgil?«
Hühner-George sah seinen Ältesten an, der sich am liebsten versteckt hätte. Was hatten sie ihm zu sagen eingepaukt?
»Pappy«, sagte er schließlich mit seiner Piepsstimme, »willst du uns nicht was von deinem Urgroßpapa erzählen?«
Matilda blickte ihn an.
»Du bist ein guter Mann, George«, sagte Kizzy sanft. »Und laß dir von niemandem erzählen, daß das
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