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Wurzeln

Wurzeln

Titel: Wurzeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Haley
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Wagenbett war aus massiver Eiche gefertigt, darauf in der Mitte die Hahnenkäfige. Achsen und Naben waren beste Schmiedekunst, und sosehr George auch die Ohren spitzte, er hörte kein Quietschen und kein Knarren. Und auch seinen Masser hatte er noch nie zuvor so freudig grinsen sehen.
    »Einer der besten, die wir je hergestellt haben«, erklärte der Wagenbauer. »Fast zu schön, um damit zu fahren.« Masser Lea erklärte prahlerisch: »Er wird aber eine lange Reise machen!« Der Wagenbauer nickte bedächtig. »New Orleans! Eine Fahrt von sechs Wochen. Wer soll denn da noch mitfahren?«
    Masser Lea zeigte auf Hühner-George, der auf dem Kutschbock des alten Wagens saß. »Mein Nigger da und zwölf Hühner!«
    Dem Befehl seines Masser zuvorkommend, sprang Hühner-George von seinem Sitz, band die beiden gemieteten Maulesel los und brachte sie zu dem neuen Wagen. Einer der vier Schwarzen half ihm, sie anzuschirren, und ging dann sogleich zu den anderen zurück, die Hühner-George nicht mehr Beachtung schenkten, als er es in ihren Augen wert war; schließlich waren sie freie Schwarze. Der Masser stolzierte einige Male strahlend um den Wagen herum, schüttelte dem Wagenbauer die Hand, dankte ihm und schwang sich auf den Bock des neuen Gefährts. Der Wagenbauer wünschte ihm gute Reise, stand da und nickte befriedigt über sein gelungenes Werk, während Masser Lea, von Hühner-George und dem alten Wagen gefolgt, auf die Landstraße fuhr.
    Auf der langen Heimfahrt stellte George im Geiste eine Liste dessen zusammen, was noch vor der Abfahrt nach New Orleans zu erledigen wäre, und dachte noch einmal über alles nach, was während seiner Abwesenheit einen reibungslosen Ablauf der Dinge gewährleisten würde. Sein neuer Hut lag neben ihm auf dem Sitz sowie ein Paar eleganter grauer Filzgamaschen, die ihn einen zusätzlichen Dollar gekostet hatten. So schwierig es für Matilda und Kizzy sein würde, zu Hause ohne ihn auszukommen, so wußte er doch, daß sie ihren Aufgaben gewachsen waren. Und obgleich Onkel Mingo nicht mehr so behende wie früher war, konnte George sicher sein, daß er die Hühner bis zu seiner Rückkehr gut versorgen würde. Allerdings wußte er auch, daß er früher oder später mehr Hilfe brauchte, als Mingo ihm jetzt noch leisten konnte.
    Irgendwie mußte er Mittel und Wege finden, seine Frau und seine Mammy von der äußerst günstigen Gelegenheit, die sich dem kleinen Virgil bot, zu überzeugen, besonders, da er fast sechs Jahre alt war und bald auf den Feldern würde arbeiten müssen. George war nämlich der Gedanke gekommen, daß Virgil während seiner Abwesenheit Onkel Mingo gut bei der Betreuung der Kampfhähne helfen könnte – und dann würde er nach ihrer Rückkehr einfach bei dieser Arbeit bleiben. Aber kaum hatte er den Gedanken erwähnt, hatte sich Matilda empört: »Soll doch der Masser sich jemanden kaufen, der ihm hilft«, und Kizzy hatte aufgebracht hinzugefügt: »Die Hühner haben dieser Familie schon genug weggestohlen!« Da er keinen neuen Streit mit den Frauen anfangen wollte, hatte er nicht versucht, noch einmal auf dieses Thema zurückzukommen, aber er wollte gewiß nicht tatenlos zusehen, wie der Masser möglicherweise irgendeinen Fremden einkaufte, der sich dann in Dinge einmischte, die er und Onkel Mingo als ihre ureigene Domäne betrachteten.
    Aber selbst wenn der Masser sich hüten würde, einen Außenseiter hereinzubringen, konnte George nicht sicher sein, ob Onkel Mingo Virgils Hilfe annehmen würde, denn der Alte hatte es äußerst übelgenommen, daß sein erster Helfer viel engere Beziehungen zum Masser angeknüpft hatte als er. Erst kürzlich war er sehr verbittert gewesen, weil er nicht nach New Orleans mitkommen durfte, und hatte George angefaucht: »Ein Glück, daß du und der Masser mir wenigstens zutraut, die Hühner zu füttern, wenn ihr weg seid.« George hätte gewünscht, Onkel Mingo wäre vernünftig genug, einzusehen, daß er mit den Entscheidungen des Masser nichts zu tun hatte. Zugleich fragte er sich aber auch, warum der Alte sich nicht einfach mit der Tatsache abfinden konnte, daß er mit seinen über siebzig Jahren nicht mehr in der Lage war, eine Sechswochenreise anzutreten, ganz gleich in welche Richtung, sondern fast bestimmt irgendwo krank werden und sich selbst und dem Masser nur zusätzliche Scherereien machen würde. George wünschte sehr, er könnte Onkel Mingo bewegen, die ganze Sache in einem günstigeren Licht zu sehen, oder ihn mindestens davon

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