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Wut

Wut

Titel: Wut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Salman Rushdie
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Persönlichkeit die Hand ausgestreckt und die Herzen von Kindern erobert, die sogar noch jünger waren als Asmaan Solanka. Drei war nicht zu jung, um sich in diese weltweit anziehendste aller zeitgenössischen Ikonen zu verlieben. B.G. konnte aus dem Haus an der Willow Road vertrieben werden, aber konnte sie aus der Phantasie des Sohnes ihres Schöpfers vertrieben werden? »Ich will, daß sie zurückkommt!« erklärte Asmaan nachdrücklich. Zurück lautete zurüt . »Ich will B’aingi’l.« Die pastorale Symphonie von Hampstead Heath wich den schrillen Dissonanzen des Familienlebens. Solanka spürte, wie sich wieder einmal die Wolken um ihn herum verdichteten. »Es war an der Zeit, daß sie ging«, gab er zurück und hob Asmaan hoch, der sich heftig gegen ihn wehrte, nach Kinderart unbewußt auf die schlechte Laune des Vaters reagierte. »Nein! Laß mich runter! Laß mich runter!« Er war müde und quengelig, und Solanka war es auch. »Ich will ein Video sehen«, verlangte er. Viduwo . »Ich will B’aingi’l-Viduwo sehen.« Malik Solanka, durch den schweren Verlust des Braingirl-Archivs, ihre Verbannung auf irgendein Puppen-Elba, in irgendeine Stadt am Schwarzen Meer wie Ovids ödes Tomis für unerwünschte, verbrauchte Spielsachen aus der Ruhe gebracht, fühlte sich unerwartet in einen Zustand gestürzt, der tiefer Trauer ähnelte, und empfand die Tagesendlaunen als eine inakzeptable Provokation. »Es ist zu spät. Benimm dich!« fuhr er ihn an, woraufhin Asmaan sich auf den Wohnzimmerteppich hockte und seinen jüngsten Trick präsentierte: einen heftigen Ausbruch eindrucksvoll überzeugender Krokodilstränen. Solanka, nicht weniger kindisch als sein Sohn und ohne die Ausrede, drei Jahre alt zu sein, ging auf Eleanor los. »Ich nehme an, dies ist deine Art, mich zu bestrafen«, sagte er. »Wenn du das Zeug nicht loswerden wolltest, warum hast du’s dann nicht einfach gesagt? Warum benutzt du ihn? Ich hätte wissen müssen, daß es Ärger gibt, wenn ich nach Hause komme. Irgendeinen manipulativen Mist wie das hier.«
    » Bitte , laß ihn nicht hören, wie du mit mir sprichst«, sagte sie und zog Asmaan in ihre Arme. »Er versteht alles.« Wie Solanka vermerkte, ließ sich der Junge von seiner Mutter ohne die geringste Gegenwehr zu Bett bringen, ja, barg das Gesicht dabei an Eleanors langem, schlankem Hals. »Eigentlich«, fuhr sie sachlich fort, »hatte ich mir gedacht - törichterweise, wie sich herausstellt -, nachdem ich den ganzen Tag für dich geschuftet habe, könnten wir diesen Moment für einen Neubeginn nutzen. Ich habe einen Lammschlegel aus der Gefriertruhe geholt und mit Kreuzkümmel eingerieben, ich habe im Blumengeschäft angerufen, o Gott, dies ist alles so furchtbar dumm, und Kapuzinerkresse bestellt. Und auf dem Küchentisch wirst du drei Flaschen Tignanello finden. Eine zum Vergnügen, zwei fürs Übermaß, drei fürs Bett. Das war dein Spruch. Aber ich bin sicher, daß du von deiner langweiligen, nicht mehr ganz so jungen Frau nicht mit einem romantischen Kerzenlicht-Dinner belästigt werden darfst.«
    Sie hatten sich auseinandergelebt, sie in das überwältigende Vollzeiterlebnis der ersten Mutterschaft, das sie so sehr ausfüllte, daß sie es unbedingt wiederholen wollte, er in den Nebel des Versagens und des Ekels vor sich selbst, der durch das Trinken immer dichter wurde. Aber die Ehe war nicht zerbrochen, weitgehend dank Eleanors edelmütigem Herzen, und dank Asmaan. Asmaan, der Bücher liebte und sich stundenlang vorlesen lassen konnte; Asmaan auf seiner Gartenschaukel, wo er Malik bat, ihn endlos zu drehen, damit er sich in einem schnellen, verschwimmenden Wirbel gegen den Uhrzeigersinn wieder entdrehen konnte; Asmaan, auf den Schultern seines Vaters, wie er den Kopf unter den Türstürzen einherduckte (»Ich bin ganz vo’sichtig, Daddy!«); Asmaan beim Fangenspielen, Asmaan, wie er sich unter den Bettdecken und Bergen von Kopfkissen versteckte; Asmaan, wie er versuchte, Rock Around the Clock zu singen - rot around the tot - und, am häufigsten wohl, Asmaan beim Herumhopsen. Er liebte es, auf dem Bett seiner Eltern herumzuhüpfen, während seine Stofftiere ihn anfeuerten. »Seht mir zu«, rief er dann laut, »wie gut ich hüpfe! Ich hüpfe immer höher und höher!«
    Er war die junge Inkarnation ihrer alten Liebe, damals, als in ihnen die Herzen zerspringen wollten. Wenn ihr Kind ihr Leben mit Freude überflutete, konnten Eleanor und Malik in einer Phantasie ungestörten

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