Wyoming 2 - Wildes Herz
Benson rund zwanzig Meilen weiter im Norden lag, würde es wahrscheinlich genauso kommen. Nein, er war ungerecht. Colt hätte seine schlechte Laune nie an einem Pferd ausgelassen. Aber er war verflucht entschlossen, Tombstone zu verlassen, und zwar schnell. Ehe der Herzogin etwas Neues einfiele, wie sie ihn sehen könnte?
Colt war bereits aus dem Zimmer gegangen, um die Rechnung zu bezahlen. Daher packte Billy seine Sachen zusammen und verließ die Pension durch den Hintereingang, wie es mit Colt abgesprochen war. Es war nicht weit bis zum Stall. Camillus S. Fly hatte hinter seiner Pension eine Fotogalerie, und direkt dahinter lag der Mietstall, mitten auf dem Platz, den man von jedem freien Grundstück in der Dritten und der Vierten Straße, der Fremont und der Allen aus erreichen konnte.
Billy war vorzeitig wieder in der Fremont, aber ohne die Pferde, wie Colt bemerkte, als er aus Fly's Lodging House kam. »Jetzt schau mich nicht so an«, wandte Billy eilig ein. »Mein Pferd hat sich gerade einen Beschlag vom Fuß getreten, als ich es aus dem Stall geführt habe. Es dauert nur zwei Stunden... «
»Zwei Stunden? «
»Der Hufschmied hat viel zu tun«, erklärte Billy. »Die zwei Stunden hat er veranschlagt, nicht ich. Was sagst du zu einem frühen Mittagessen? Anschließend könnte ich dich drüben bei Bob Hatch in der Allen Street zu einem kleinen Billardturnier rausfordern. «
»Du suchst wohl Ärger, Junge? « erwiderte Colt, aber seine Miene war nicht mehr halb so finster wie vorher.
»Ich glaube nicht, daß wir dem jungen Clanton über den Weg laufen, falls du das meinst. « Billy grinste. »Wenn du es genau wissen willst- ich habe gerade gehört, daß sein Bruder Ike heute morgen von einem der Earp Brüder überlistet und dann vor den Richter geschleift und verurteilt worden ist. Es muß Wyatt gewesen sein. Es heißt, er hätte eine Schwäche dafür, Dickschädel einzufangen. Billy hat seinen Bruder wahrscheinlich inzwischen wieder auf die Ranch gebracht. Also, wo möchtest du gern zu Mittag essen? In der Maison Doree? «
Das beantwortete Colt mit einem leichten Tritt in Billys Hinterteil.
Kapitel 10
Mrs. Addie Bourlands Modewarengeschäft in der Fremont Street war zwischen dem Büro einer Postkutschenlinie und der Praxis eines Arztes eingezwängt. Das Allerletzte, was Jocelyn gebrauchen konnte, war ein neuer Hut, aber sie war hergekommen, um sich einen, zwei oder ein Dutzend zu bestellen, je nachdem, wie lange es dauerte, bis sie Colt Thunder sähe, wenn er sein Hotel genau gegenüber gerade verließe oder beträte. Vanessa hatte ihr vorgeschlagen, schlicht und einfach selbst vor seiner Tür zu erscheinen, aber davor schreckte sie zurück. Den Männern, die sie an diesem Morgen zu ihm geschickt hatte, war nicht freundlich begegnet worden, und sie hatte keinen Grund zu der Annahme, daß ihr Erscheinen besser aufgenommen würde. Nein, ein zufälliges Treffen auf der Straße war genau das Richtige, und wenn es auch keineswegs ein Zufall wäre, bräuchte Mr. Thunder das nicht zu erfahren. Sie würde nicht zulassen, daß er sie noch einmal ignorierte.
Sie war kurz vor zwei hier eingetroffen, hatte die Kutsche fortgeschickt, und die Neugierigen, die die Kutsche angelockt hatte, waren ebenfalls auseinandergelaufen. Jetzt wies nichts mehr darauf hin, daß sie sich im Hutladen aufhielt. Die Wachen, diesmal sechs Männer, waren eine Notwendigkeit, auf die sie nicht verzichten konnte. Sie hatten sich an der Tür zur Straße und am Hintereingang aufgestellt. Diejenigen, die sie mit hineingenommen hatte, versuchten, unauffällig im Hintergrund zu bleiben, doch das mißlang ihnen gründlich. Mrs. Bourland war ganz aus dem Häuschen. Sie war es nicht gewohnt, so viele Männer in ihrem kleinen Geschäft zu haben. Schon einer allein war eine Seltenheit. Aber inzwischen schenkte sie ihnen keine Beachtung mehr, da die Aussichten auf eine so große Bestellung sie ganz in Anspruch nahm.
Vanessa hatte sich hinter einem der Fenster aufgestellt, um nach Colt Ausschau zu halten, und Jocelyn hielt Mrs. Bourland mit der riesigen Auswahl an Federn, Blumen, Farben und Materialien auf Trab. Sie war noch nie so unschlüssig bei ihrer Wahl gewesen, aber schließlich hatte sie keine Ahnung, wie lange sie noch hierbleiben müßte. Einen Teil der Zeit brachte sie damit herum, die kunstvollen europäischen Hutmoden detailliert zu beschreiben, die sie bevorzugte, aber dann war selbst dieses Thema erschöpft. Es wurde nicht nur für
Weitere Kostenlose Bücher