Wyoming 2 - Wildes Herz
da keine der Wachen im Moment besonders liebenswürdig wirkte, wünschte Billy, Colt stünde hinter ihm. Aber Colt tauchte eben erst aus der Menge hervor und führte ihre Pferde auf die Straße. Selbst wenn er gesehen hätte, wohin Billy gegangen war, konnte Billy nicht damit rechnen, daß Colt ihm folgte.
Als eine der Wachen handgreiflich wurde und Billy an der Hemdbrust hochhob, ehe er ein Wort rausbrachte, und ihn aus dem Weg räumen wollte, wurde der Mann von Sir Dudley zurückgehalten. »Laß ihn los, Robbie. Das ist der junge Kerl, der heute morgen bei diesem Thunder war. «
Billy hatte Glück, und der rothaarige Robbie hörte auf seinen Freund. Er stellte Billy augenblicklich wieder hin. Er ging sogar so weit, das Hemd wieder glattzustreichen, das er mit seiner groben Faust zerknittert hatte, und sich mit einem Grinsen zu entschuldigen. Der Mann war der größte der Wächter, fast einen Meter achtzig groß und zudem stämmig, niemand, mit dem sich ein schlaksiger siebzehnjähriger Junge gern angelegt hätte, ganz gleich, unter welchen Umständen. Aber Billy hatte keine Unruhe stiften wollen. Er hatte lediglich versucht, ein paar Worte mit der Herzogin zu wechseln, weil er hoffte, damit das Bild des Todes, das er immer noch vor Augen hatte, verbannen zu können. Leider hatte er nicht bedacht, daß sie selbst außer sich war und daß jetzt nicht der rechte Zeitpunkt für einen freundlichen Plausch war, selbst dann nicht, wenn sie sich dazu herabgelassen hätte, mit ihm zu reden.
Sie sprach ihn aber an, und sie war nicht so abgelenkt, daß sie Dudleys Bemerkung überhört hätte. »Dann sind Sie ein Freund von Mr. Thunder? «
Die beiden Wachen vor ihr waren augenblicklich zur Seite getreten, damit sie auf Billy zugehen konnte. Aus der Nähe war sie noch schöner, als er geglaubt hatte. Diese Augen waren etwas ganz Besonderes, so leuchtend grün, daß sie fast glühten. Er nahm unterbewußt wahr, daß sich eine wesentlich dunklere grüne Seide um die zarten Rundungen ihrer geschmeidigen Gestalt schmiegte, aber er konnte seinen Blick nicht von ihrem Gesicht losreißen. Etliche Sekunden vergingen, ehe ihm wieder einfiel, daß sie ihn etwas gefragt hatte.
»Ich glaube nicht, daß >Freund< ein angemessener Begriff ist, Lady Fleming. Ich bin Colts Bruder. «
»Sein Bruder! « sagte sie überrascht. »Aber Sie sehen ihm überhaupt nicht ähnlich. Sind Sie denn auch ein Halbblut? «
Billy hätte fast gelacht. Die Leute im Westen hätten diese Frage nicht gestellt. Sie setzten als selbstverständlich voraus, daß sie ein Halbblut erkannten, wenn sie es sehen. Und wenn ein Mann für ein Halbblut gehalten wurde, ob er es nun war oder nicht, hätte er ebensogut gleich eines sein können.
»Nein, Ma'am«, antwortete Billy und stellte überrascht fest, daß er die knappe, abgehackte Ausdrucksweise abgelegt hatte, die er jedesmal aufgriff, wenn er in den Westen kam. Als Reaktion auf ihre gewählte Redeweise setzte sich seine Erziehung im Osten wieder durch. »Colt und ich haben denselben Vater, aber nicht dieselbe Mutter. «
»Dann muß es wohl seine Mutter sein, die eine Cheyenne ist«, bemerkte sie mehr zu sich selbst. »Ja, er muß nach ihr geschlagen sein. Aber andererseits haben Sie beide blaue Augen, wenn auch nicht im selben Blau... Verzeihen Sie. Ich wollte nicht so viel reden. «
Billy grinste über die leichte Röte, die in ihre Wangen stieg, als ihr klar wurde, daß sie vor sich hin geplappert hatte. »Das macht gar nichts, Ma'am. Colt hat seine Augen von einem der Vorfahren unseres Vaters geerbt, denn Thomas Blair hatte türkisfarbene Augen, habe ich gehört. Jessie ist die einzige, die die Haarfarbe und die Augenfarbe von ihm hat. «
»Jessie... ja, Ihr Bruder hat ihren Namen genannt, als wir uns gestern getroffen haben. Aber wenn Sie nichts dagegen haben, wüßte ich gern, wie Sie das meinen: Sie haben gehört, welche Augenfarbe Ihr Vater hatte? Wie kommt es, daß Sie es nicht selbst wissen? «
»Meine Mutter hat ihn vor meiner Geburt verlassen, und daher bin ich im Osten aufgewachsen. Ich war schon halb erwachsen, als ich überhaupt zum ersten Mal von ihm gehört habe. Damals habe ich auch erst erfahren, daß ich eine ältere Schwester habe. Und es hat noch ein paar Jahre gedauert, bis ich dahintergekommen bin, daß ich außerdem noch einen Stiefbruder habe. Wir sind alle nicht gemeinsam aufgewachsen, verstehen Sie. Jessie ist bei unserem Vater auf einer Ranch in Wyoming aufgewachsen. Colt hat mit dem
Weitere Kostenlose Bücher