Wyoming 2 - Wildes Herz
weiß«, schnitt ihr Vanessa das Wort ab. »Es war so beseligend, daß dir die Worte fehlen, um es zu beschreiben. «
»Ja, genauso war es«, sagte Jocelyn zu ihrer Verteidigung.
»Dann sind wir unserem griesgrämigen Reiseführer also zu ewiger Dankbarkeit verpflichtet, nicht wahr? « gab Vanessa in ihrem ätzendsten Tonfall zurück. »Vor allem, wenn es mit ihm, dessen Stimmungen so unberechenbar sind, das genaue Gegenteil hätte sein können - und es immer noch sein kann, wenn du dumm genug bist, dich noch einmal mit ihm einzulassen. « Dann wurde ihre Stimme freundlicher und verriet ihre echte und tiefe Sorge. »Was du erlebt hast, meine Liebe, kann man mit jedem Mann haben. Aber es wäre günstiger und ungefährlicher und würde mir weniger Kummer bereiten, wenn du dasselbe mit einem Liebhaber erleben könntest, bei dem du sicher sein kannst, daß er nicht von einem Moment zum anderen gewalttätig wird. Ich schlage dir vor, daß du dir einen anderen Mann suchst, um dir zu beweisen, daß es mit anderen genauso gutgeht, und zwar schnell, ehe du in diesem Kerl etwas siehst, was er gar nicht ist. «
Jocelyn befolgte Vanessas Rat im allgemeinen, aber in diesem Fall war das gar nicht nötig. Sie hatte nur zu einem einzigen Zweck einen Liebhaber gebraucht, und dieses Ziel war erreicht. Sie brauchte keinen anderen Mann mehr in ihr Bett zu lassen, und auch Colt brauchte sie kein zweites Mal. Vanessa regte sich völlig umsonst auf. Aber es war zwecklos, ihr das zu sagen. Sie hätte es ohnehin nicht geglaubt.
»Du hast gerade von den Bradens gesprochen? « sagte Jocelyn freundlich, aber betont.
»Die Drydens«, wurde sie von Vanessa verbessert, die ihre Andeutung verstanden hatte und das Thema vorläufig ruhen ließ. »Ich habe dir erzählt, daß ich sie heute morgen in der Lobby getroffen habe. Ein ausgesprochen interessantes Geschwisterpaar. Man könnte sie als die amerikanische Ausgabe des verarmten Adels bezeichnen. Ich könnte schwören, daß wir im Vergleich zu der Pechsträhne, die die beiden seit dem Tod ihrer Eltern erlebt haben, von Glück reden können, weil wir nur einen Meuchelmörder auf den Fersen haben. «
»Das ist gar nicht komisch, Vanessa. «
»Nein, wohl kaum, aber die beiden haben mir wirklich leid getan. «
»Sie haben dir ihre Lebensgeschichte erzählt, während ihr zusammen im Foyer gestanden habt? «
»Wir haben im Foyer gesessen, und es war eine stark gekürzte Fassung, soviel steht für mich fest. Ein paar Fehlinvestitionen, und das Familienvermögen war futsch, etwa in dem Stil. Sie haben sich entschlossen, das wenige, was ihnen geblieben ist, zu nehmen und in den Westen zu ziehen, um hier noch einmal neu anzufangen. Ich glaube, Miles sagte, sie wollten eine Ranch kaufen. «
»Miles? Ich vermute, du sprichst von Mr. Dryden? Du nennst ihn Miles, nachdem ihr euch ein einziges Mal gesehen habt, und doch sagst du zu Colt immer noch Mr. Thunder? «
»Komm nicht vom Thema ab, meine Liebe«, erwiderte Vanessa unerschrocken. »Wie ich gerade sagte, hatten sie noch größeres Pech, als sie in New Mexico angekommen sind. Die Postkutsche, mit der sie gereist sind, ist von Wegelagerern ausgeraubt worden, und einer der Fahrgäste ist getötet worden. Dann sind sie am selben Tag in der selben Postkutsche von Indianern überfallen worden. Sie wären beide skalpiert worden... «
»Skalpiert? «
»Ich vermute, es handelt sich dabei um etwas recht Unangenehmes, was die Indianer tun, aber die Kavallerie kam vorbei - sie hatte Jagd auf eben diese Diebesbande gemacht
- und hat sie davor bewahrt. Jedenfalls haben sie es sich verständlicherweise anders überlegt und wollen sich jetzt nicht mehr in dieser Gegend niederlassen, aber sie haben sich, offen gesagt, so sehr davor gefürchtet, wieder in eine Postkutsche zu steigen, daß sie jetzt hier festsitzen. Ich habe mich selbstverständlich gezwungen gesehen, ihnen unsere Begleitung anzubieten. «
»Hältst du das für klug? Ich meine, was weißt du schon über diese Leute, bis auf das, was sie dir selbst erzählt haben? Der Bruder könnte... «
»Du solltest wissen, daß ich auf meine alten Tage noch nicht verblödet bin«, fiel ihr Vanessa entrüstet ins Wort. »Sir Parker hat ihre Geschichte überprüft und sie bestätigt. Sie leben jetzt schon seit drei Monaten in diesem Hotel. Und Miles Dryden hat eine Schwester, meine Liebe, eine Schwester. Wenn unser Mr. Longnose eine hätte, würde er sie wohl kaum mit sich durch die Gegend schleifen, oder?
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