Wyoming 2 - Wildes Herz
anzusehen, die wir gefunden haben, als wir in New York waren. Ich meine Harper's Bazaar. Habe ich dir eigentlich schon gesagt, daß die Familie ursprünglich aus New York kommt? Sie kennen sogar Charles oder haben zumindest von den Abington gehört. «
»Bist du sicher, daß Robbie nichts fehlt? «
Vanessa hob den Kopf nicht, aber ihr Blick richtete sich auf Jocelyn, und ihre Augenbrauen zogen sich verdächtig zusammen. Diese Frage war bereits gestellt und beantwortet worden - und zwar schon zweimal.
»Genaugenommen ist das junge Ding sogar ziemlich frech und hat nicht die geschliffenen Manieren ihres Bruders. «
»Wie erfreulich. «
Die Gräfin ließ ihre Stickerei mit einem matten Seufzer auf ihren Schoß sinken. »Hast du auch nur ein einziges Wort von alledem gehört, was ich gesagt habe? Jocelyn? Juhu, Jocelyn? « stimmte sie im Singsang an.
Jocelyn wandte sich ein wenig von dem Fenster ab, an dem sie schon seit einer Stunde stand. »Hast du etwas gesagt, Vana? «
Die Gräfin mußte sich zwingen, ruhig zu bleiben, als sie antwortete: »Ich habe dir von den Drydens erzählt. «
»Von wem? «
»Jocelyn Fleming! Du solltest heute vor Glück strahlen, aber du bist zerstreut. Was ist bloß los mit dir? «
Jocelyn sah wieder aus dem Fenster und ignorierte den Vorwurf, nicht aber die Frage. Richtig, was war bloß los mit ihr? Warum mußte sie ununterbrochen an die letzte Nacht denken oder sich fragen, wo Colt heute wohl stecken mochte? Wieder einmal war er unauffindbar. Er hatte auf Robbies Ablösung am frühen Morgen gewartet, oder das hatte man ihr jedenfalls erzählt, und das hieß offensichtlich, daß er persönlich für den Rest der Nacht über sie gewacht hatte. Aber in ihrem Zimmer oder draußen im Gang?
Als sie aufgewacht war, hatte sie ein leeres Zimmer vorgefunden, und zwei lange schwarze Haare auf dem Kissen neben ihr waren das einzige Zeichen dafür gewesen, daß Colt je dort gewesen war. Nein, es gab noch einen weiteren Hinweis darauf. Die getrockneten Blutspuren auf ihren Oberschenkeln. Aber wann war er fortgegangen? Und warum war er gegangen, ohne ein Wort zu sagen?
Vanessa war am frühen Morgen strahlend zu ihr gekommen und hatte sich dann große Sorgen gemacht, nachdem sie gesehen hatte, wie die beiden gefaßten Diebe von der Polizei abgeholt worden waren. Sie hatte jede Einzelheit über Jocelyns kleines Abenteuer hören wollen, nachdem sie aus dem Fenster geflohen war, aber auch alles, was sich hinterher abgespielt hatte. Mit großer Erleichterung hatte sie vernommen, daß es doch noch zu der geplanten Verführung gekommen war.
»Dann haben wir jetzt keinen Grund mehr, in dieses Wyoming zu reisen, und Mr. Thunders Dienste brauchen wir auch nicht mehr, oder? «
Als Jocelyn das gehört hatte, war eine seltsame Trostlosigkeit über sie hereingebrochen, und sie hatte darauf beharrt, daß sie Colts Dienste nach wie vor dringend brauchten, und sei es auch aus keinem anderen Grund als dem, ihre Sicherheit zu gewährleisten. Sie hob hervor, wie oft er ihr bereits aus der Klemme geholfen hatte. Sie betonte, wie geschickt er Longnose bisher davon abgehalten hatte, ihre Fährte wiederzufinden. Und als ob das noch nicht genug gewesen wäre, erklärte sie auch noch, daß Wyoming der Ort war, an dem sie ihr Gestüt aufbauen wollte.
Vanessa war so klug gewesen, nichts dazu zu sagen, doch Jocelyn hatte ihre Mißbilligung in dem Moment bereits wahrgenommen und spürte sie immer noch. Sie wußte von Vanessas Sorgen, daß sie sich unstandesgemäß in Colt verlieben könnte.
»Es ist unvermeidlich, daß der erste Mann einem etwas ganz Besonderes bedeutet«, hatte Vanessa schon vor Monaten zu ihr gesagt, als sie erstmals auf den Gedanken gekommen waren, daß sie einen Liebhaber nehmen sollte. »Aber man muß immer daran denken, daß es wirklich nur der erste Mann ist und daß man den schlichten, gesunden Reiz, den er auf uns ausübt, nicht mit Liebe verwechseln darf. «
Als ihr diese Worte jetzt wieder einfielen, versuchte Jocelyn zu ergründen, was sie empfand, aber sie gelangte nur zu der Feststellung, daß sie tief verwirrt war, sich vor ihrem nächsten Zusammentreffen mit Colt fürchtete und vor allem nachhaltig erstaunt darüber war, wieviel befriedigender die körperliche Liebe war als alles, was sie sich je vorgestellt hatte.
Sie warf einen Blick über die Schulter und enthüllte ihrer Freundin einen Teil dieser Empfindungen. »Es tut mir leid, Vana. Es ist nur so, daß es... es war... «
»Ich
Weitere Kostenlose Bücher