Wyrm. Secret Evolution
das ganze Geheimnis seiner Station einzuweihen.
»Angy«, murmelte Tom. »Wo steckst du?«
Renegard hatte Angy im Verdacht, irgendetwas manipuliert zu haben. Nein. Falsch.
Eine Terroristin zu sein.
Tom glaubte den Quatsch nicht. »Ihre ersten Lebensjahre«, sagte er laut und deutlich. »Ich brauche sämtliche Daten der ersten Lebensjahre.«
»Sofort, Sir«, quäkte die Computerstimme.
Tom hatte sich intensiv mit sprachgesteuerten Computersystemen beschäftigt. Das dabei entstandene immer gesprächsbereite Zentralsystem seiner Station hatte ihn vergessen lassen, wie einsam er im Grunde war.
»Keine Daten bis zum siebten Lebensjahr verfügbar«, fuhr die Computerstimme fort.
»Ja, das sehe ich.« Tom richtete sich in seinem Sessel auf und gab einen kurzen Tastatur-Befehl ein, der das Suchergebnis auf dem Bildschirm einfror. »Aber was ist mit den Daten aus den Jahren danach? Sind die wenigstens in sich stimmig? Gibt es hier irgendwelche Fotos? Was ist mit Facebook und Konsorten?«
»Keine Treffer, Sir«, antwortete die Computerstimme. »Nach neuen Untersuchungen meiden fast fünfzig Prozent der Nutzer Social Networks , um negative Folgen für ihre Karriere zu vermeiden.«
»Ja, natürlich. Und sie bleiben ihr ganzes Leben zu Hause und ziehen sich die Decke über den Kopf.« Tom schüttelte den Kopf. »Soziale Krüppel.«
*
Maya hätte nicht gedacht, dass sie es doch so schnell wieder zurückschaffen würde in die Mariental-Klinik zu ihren Freunden. Die Flucht aus dem Gebäude, in dem man sie verhört hatte, war einfacher gewesen, als sie vorab angenommen hatte. Statt zu versuchen, über das bewachte Foyer auf die StraÃe zu gelangen, war sie über die Nottreppe in den Heizungskeller gerannt und hatte sich dort durch ein schmales Lüftungsfenster gezwängt. Dann hatte sie nur noch den Innenhof zu überwinden gehabt. Die ganze Zeit über hatte sie erwartet, das harte Getrampel von Polizistenschuhen hinter sich hören zu müssen sowie gebellte Befehle, die sie zwingen sollten, stehen zu bleiben und sich zu ergeben â oder zumindest das Heulen einer Sirene, weil sie einen Bewegungsmelder ausgelöst oder jemand einen Alarmknopf gedrückt hatte.
Zumindest auf die Sirene hatte sie dann doch nicht ganz verzichten müssen. Ihr lautes Schrillen hatte allerdings erst eingesetzt, nachdem sie vorsichtig ein groÃes Metalltor zur Seite geschoben und sich angeschickt hatte, sich durch den dadurch entstandenen schmalen Schlitz zu quetschen. Als das penetrante Alarmgeheul begonnen hatte, war sie jedoch nur für einen Sekundenbruchteil zusammengezuckt und dann blitzschnell in die kleine Gasse hineingerannt, die sich hinter der Hofausfahrt auftat.
Sie kannte sich zwar in diesem Teil der Stadt kaum aus, aber sie hatte ja einen Trumpf in der Hand: ihr Handy, das sie unmittelbar vor ihrer Flucht entwenden und wieder an sich hatte nehmen können. Und das hatte eine Navigationsfunktion. Im Schutz eines Bauzauns, hinter dem sie Zuflucht gesucht und gefunden hatte, blieb sie kurz stehen und lieà trotz ihrer klammen Finger blitzschnell erst ihren Standort bestimmen und rief dann als Zieladresse die Mariental-Klinik auf, die sie schon zuvor eingegeben und abgespeichert hatte.
Kaum war sie sich über die Richtung im Klaren, da lief sie auch schon weiter, hetzte an gestapeltem Baumaterial vorbei, sprang über einen Graben, den sie halb verdeckt unter Lattengewirr erst im letzten Moment erkannte, und kämpfte anschlieÃend darum, auf ihren lächerlichen Latschen nicht weiterzuschlittern und das Gleichgewicht zu verlieren. Sie war wackelig und ungeschickt, jedenfalls für ihre Verhältnisse â was ja auch kein Wunder war, nachdem sie mehr tot als lebendig aus diesem schrecklichen Loch in der KarlsstraÃe hochgekommen war, und erschwerend hinzu kam jetzt noch dieser verdammte Schneematsch.
Ganz abgesehen davon, dass sie bei Weitem noch nicht verarbeitet hatte, was unter der Erde passiert war. Der Typ, dem der Arm abgerissen worden war ⦠diese Bilder verfolgten sie jede Sekunde. Aber es war nichts gegen die Sorge um David und die Gewissheit, ihm nur zusammen mit ihren Freunden helfen zu können â egal, was alle Polizisten und Spezialisten der Welt davon halten mochten.
Am liebsten hätte sie die Krankenhauslatschen, die sie letztlich nur behinderten, in die nächste Ecke
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