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Wyrm

Wyrm

Titel: Wyrm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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erkennen. Er musste dabei aufpassen, dass er dem Glas nicht zu nahe kam, denn es war so heiß, dass er sich daran verbrannt hätte.
    Nach einer Weile gewahrte er einen hellen Schemen, der mit schlängelnden Bewegungen durch die grüne Unendlichkeit glitt. Er verschwand, tauchte wieder auf, verschwand dann erneut und erschien schließlich so nahe vor der Scheibe, dass Coppelstone ihn deutlich erkennen konnte. Es war eine der großen weißen Wurmkreaturen, wie er ohne besondere Überraschung zur Kenntnis nahm. Aber irgendetwas war … anders an ihr. Er konnte nicht genau sagen, was, doch der Gesamteindruck stimmte einfach nicht.
    Das Geschöpf verschwand, als hätte es beschlossen, dass Coppelstone es nun ausreichend lange angestarrt hatte, und sie gingen weiter. Nachdem sie die nächste Rundung hinter sich gebracht hatten und schon fast auf halber Höhe des Tanks waren, kamen sie an einem anderen Fenster vorbei, hinter dem Coppelstone weitere der fahlen Kreaturen erkennen konnte. Eine von ihnen war dem Glas so nahe, dass Coppelstone fast meinte, sie berühren zu können. Auf jeden Fall nahe genug, um ihn den Unterschied zwischen dieser und allen anderen Wurmkreaturen, denen er bisher begegnet war, sofort erkennen zu lassen.
    Der Wurm hatte Augen .
    Coppelstone schrak mit einem entsetzten Keuchen zurück, als er in die dunklen, fast menschlich wirkenden Augen des Geschöpfes blickte. Es war nicht einmal der bloße Anblick dieser Augen, so erschreckend sie auch in dem bleichen, konturlosen Wurmgesicht wirken mochten. Viel schlimmer war der Ausdruck, den er darin las: einen so tiefen, unlöschbaren Schmerz, dass Coppelstone selbst mit dieser so abstoßenden Kreatur plötzlich Mitleid empfand.
    Er warf einen Blick auf die anderen Würmer, und nach und nach fielen ihm immer mehr Einzelheiten auf: Einige von ihnen schienen noch über die Stummel ehemaliger Gliedmaßen zu verfügen, andere hatten angedeutete Köpfe, Beine, Arme und Schwänze; bei einem glaubte er sogar winzige Händchen zu erkennen, die direkt aus dem Leib herauswuchsen.
    Und endlich begriff er.
    »Sie … Sie züchten sie hier!«, keuchte er. »Sie züchten diese Kreaturen in diesem Tank!«
    »Sie wachsen hier heran, das ist richtig«, antwortete Reeves. »Man könnte sagen, sie entwickeln sich hier bis zu dem Zeitpunkt, zu dem wir sie sich selbst überlassen können.«
    »Sie meinen, bis Sie sie auf die Welt draußen loslassen können!«, sagte Coppelstone erregt. »Wie viele von diesen … Bestien haben Sie hier schon ausgebrütet, Reverend? Tausende? Millionen? Und was haben Sie vor? Sich eine ganze Armee davon zu züchten, bis Sie alle Menschen in diesem Tal unter Ihre Kontrolle bringen können? Oder vielleicht gleich im ganzen Land?«
    Reeves schüttelte beinahe traurig den Kopf. »Ich sehe schon, Sie verstehen immer noch nicht, Mister Coppelstone. Aber wie könnten Sie auch?« Er machte eine Handbewegung. »Gehen Sie weiter, Mister Coppelstone. Ich werde Ihnen gerne alles erzählen, was Sie wissen wollen.«
    »Danke«, sagte Coppelstone erregt. »Ich weiß schon mehr, als ich eigentlich wollte.«
    »Diese Erkenntnis kommt ein wenig spät, meinen Sie nicht?«, fragte Reeves amüsiert. »Außerdem glaube ich Ihnen nicht. Sie meinen also, dass wir all das hier tun, weil wir etwas so Närrisches wie Macht anstrebten oder gar Geld und irdischen Besitz?«
    »Nein«, antwortete Coppelstone höhnisch. »Ich bin sicher, Sie streben viel hehrere Ziele an.«
    »Wir dienen einer Macht, die Sie sich nicht einmal vorstellen können«, sagte Reeves scharf. »Was mit uns oder Ihnen oder irgendeinem anderen Menschen auf dieser Welt geschieht, spielt dabei keine Rolle.«
    »Ist Ihnen ein Menschenleben deshalb so wenig wert?«, fragte Coppelstone.
    »Wir haben niemals jemanden getötet, Mister Coppelstone«, erwiderte Reeves. » Sie waren es, der hierherkam und alles zum Schlechten gewendet hat. Durch Ihre Schuld ist Karlsson gestorben, und Sie waren es auch, der Henderson erschlagen hat. Solange wir hier sind und unser Werk verrichten, haben wir kein einziges Menschenleben genommen. Es waren stets die anderen, die hierherkamen und mit dem Töten begonnen haben.«
    Coppelstone schwieg; vielleicht, weil da tief in ihm der furchtbare Verdacht war, dass Reeves tatsächlich die Wahrheit sagen könnte. Zugleich aber spürte er auch, dass ihm der Reverend etwas verschwieg. Etwas Wichtiges. Vielleicht das furchtbarste Geheimnis von allen.
    »Und was ist mit diesen …

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