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Xeelee 3: Ring

Xeelee 3: Ring

Titel: Xeelee 3: Ring Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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ihnen vorbei, eine von grauen Schatten verhüllte Landschaft.
    »Es ist wie ein Tunnel«, meinte Lieserl. »Ich stelle mir vor, hindurchsehen zu können, direkt ins Herz der Sonne.«
    »Ich fürchte, daß das eine Illusion ist. Der Fleck wirkt nur durch den Kontrast zu den angrenzenden Regionen dunkel. Wenn man eine größere Konstellation solcher Flecken von der Sonne isolieren und im Raum aufhängen könnte, würden sie genauso hell leuchten wie der Vollmond, von der Erde aus gesehen.«
    »Aber trotzdem ist die Illusion der Tiefe enorm.«
    Nun zog die Konfiguration der Flecken unter ihnen vorbei und verkürzte sich schnell in der Perspektive.
    »Man muß natürlich dazusagen«, dozierte Scholes unsicher, »daß das, was Sie hier von der Sonne sehen, nur eine Falschfarbendarstellung ist, die von der Hülle des Lightrider generiert wird. Die Hülle des Riders hat eine fast hundertprozentige Rückstrahlrate. Überschüssige Wärme wird von in die Wandung integrierten Hochenergie-Lasern in den Weltraum abgeleitet: Der Rider kühlt sich im Grunde selbst. Wenn Sie das Schiff von außen sehen könnten, würde es nämlich heller leuchten als die Photosphäre selbst…«
    Mit Unbehagen wurde Scholes sich bewußt, daß er im Grunde nur noch am Labern war.
    »Ich glaube, ich verstehe.« Sie wedelte mit einer klauenartigen Hand sachte in Richtung der glühenden Oberfläche. »Aber die Merkmale an sich sind natürlich real. Wie die Sonnenflecken.«
    »Ja. Ja, natürlich.« Verdammt, dachte er plötzlich. Nehme ich sie etwa nicht für voll?
    Sein Auftrag hatte darin bestanden, dieser seltsamen alten Frau die Sehenswürdigkeiten zu zeigen – mit ihr die VIP-Tour zu machen. Aber er wußte nichts von ihr – es war also gut möglich, daß sie weitaus besser über die Vortragsinhalte informiert war als er selbst.
    Die Heilige Lichtkirche des Suprahet machte ein großes Geheimnis aus den Zielen des solaren Wurmlochprojekts und der Rolle, welche die alte Frau dabei spielte… obwohl aufgrund der Art und Weise, wie sie seit ihrer Ankunft im sonnennahen Raum hofiert worden war – als ob sie so zerbrechlich und wertvoll wie antikes Porzellan wäre –, jeder wußte, daß diese Frau bei der ganzen Angelegenheit irgendwie eine Schlüsselposition einnahm.
    Aber wieviel wußte sie überhaupt?
    Prüfend musterte er ihr vogelähnliches Gesicht. Die Art, wie sie ihr graues Haar zu einem kleinen, festen Knoten gebunden hatte, ließ ihr ohnehin schon nasendominiertes Gesicht noch hagerer und finsterer erscheinen, als es vielleicht auch so schon gewirkt hätte.
    »Und ist es dieser Abkühlungsprozeß, auf dem die Funktion der Wurmlochsonde basiert – wodurch sie in der Lage ist, selbst in die Sonne einzudringen?« fragte sie.
    Er zögerte. »Ja, so in etwa. Die Abkühlung eines Objektes erfolgt dadurch, daß die Wärme schneller von diesem Objekt abgeführt wird, als sie zufließt. Wir ziehen die Wärme der Sonne mittels des Wurmlochs von dem KI-Komplex ab und deponieren sie außerhalb der Sonne; darüber hinaus beabsichtigen wir, diese Energie als eine zweite Kraftquelle für Thoth zu nutzen…«
    Sie veränderte ihre Sitzposition, steif und vorsichtig, als ob sie befürchtete, etwas zu beschädigen. »Sagen Sie mir eines, Dr. Scholes. Wann werden wir den freien Fall beenden?«
    Die Frage kam überraschend. Er schaute sie an. »Diesen Flug, im Lightrider?«
    Sie erwiderte seinen Blick, ruhig und abwartend.
    »Wir befinden uns tatsächlich in einem antriebslosen Orbit um die Sonne; bei dieser geringen Distanz zur Oberfläche beträgt die Umlaufzeit etwa drei Stunden… Wir führen eine vollständige Umkreisung durch. Sie bringt uns zur Position der Wurmlochmündung zurück, von wo wir wieder zu Thoth aufsteigen werden… Aber wir legen die gesamte Strecke mit einer derart geringen Beschleunigung zurück, daß Sie kaum etwas merken werden. Warum fragen Sie?« Er zögerte. »Fühlen Sie sich nicht wohl?«
    »Doch. Aber spätestens dann, wenn die Beschleunigung stark zunehmen sollte, könnte sich das ändern. Ich bin nämlich nicht mehr ganz so robust wie früher, wissen Sie?« Ihr Ton war verblüffend – selbsterniedrigend, sehnsüchtig, und vielleicht schwangen sogar noch Ressentiments mit.
    Er nickte und wandte sich ab, weil er nicht wußte, was er darauf antworten sollte.
    »Oh, meine Güte.« Unerwartet lächelte sie und enthüllte kleine, gelbliche Goldzähne. »Es tut mir leid, Dr. Scholes. Ich befürchte, daß ich Sie verlegen

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