Xeelee 3: Ring
blauverschobenen Galaxien noch immer in die tiefste Gravitationsquelle des Universums. Und die Northern hatte den Flug durch die Raumzeit-Defekte der String-Schleife nur absolviert, um sich aufs neue in einem sternenverkleideten Leerraum wiederzufinden, am Boden dieser Universalen Quelle.
Damit endeten die Gemeinsamkeiten aber auch schon, überlegte Louise. Die Wände des Leerraums waren viel glatter als in der Zukunft und enthielten viel weniger von den zerklüfteten Löchern, die ihr zuvor aufgefallen waren… Die Wände wirkten hier fast künstlich glatt, dachte sie unbehaglich.
Und da war natürlich auch der Ring, unversehrt und majestätisch.
Der Ring war ein Kranz, der aus einem eine Milliarde Lichtjahre langen String geflochten war. Die Northern befand sich irgendwo oberhalb der Ebene des Rings. Die dem Schiff zugewandte Seite bildete einen verworrenen, undurchdringlichen Zaun über der Lebenskuppel, der sich keck zu Bögen und Spitzen verdrillte, wobei zersplitterte Abbilder von Galaxien durch den Morast der Raumzeit-Defekte glitzerten. Und die entgegengesetzte Seite des Objekts war als ein fahles, hartes Band sichtbar, das entfernt am blauverschobenen Himmel stand.
Der vom Ring scheibenförmig eingeschlossene Weltraum – Louise erinnerte sich, daß es eine nicht weniger als zehn Millionen Lichtjahre durchmessende Scheibe war – schien praktisch leer zu sein. Vielleicht, so spekulierte sie, waren die Xeelee in dieser Ära aktiv damit beschäftigt, die Zentralregion freizuhalten.
… Frei, wie Louise bei näherer Betrachtung sah, bis auf einen einzigen glühenden Lichtpunkt direkt im geometrischen Mittelpunkt des Rings. Sie sah, wie Lieserl mit halb geöffnetem Mund auf diesen Lichtpunkt starrte.
Seilspinnerins überstürzte Aktion hatte sie in die Vergangenheit gebracht, und dort wieder zu einem Streiflicht dieses Himmelskrieges… und es hatte den Anschein, daß sie in einer Ära gelandet waren, in welcher der finale Fall des Rings nicht mehr weit entfernt war.
Sie wußte, daß ihre Augen – die von Mark, Lieserl und Morrow – erwartungsvoll auf ihr ruhten. Auf ihr.
Denk an Lieserls Worte, sagte sie zu sich. Ich bin ein Überlebensmechanismus. Das ist alles. Ich muß weiter funktionieren, nur noch etwas länger… Sie blickte tief in ihr Inneres.
Sie klatschte in die Hände. »In Ordnung, Leute -Mark, Lieserl. Wir haben Arbeit. Es dürfte wohl offensichtlich sein, daß wir mitten in einem Kriegsgebiet herausgekommen sind. Wir wissen, daß die Photino-Vögel in diesem Moment den Ring von allen Seiten angreifen – denn wie wir ebenfalls wissen, wird der Ring in hunderttausend Jahren zerstört sein. Das vermittelt mir das Gefühl, daß wir nicht mehr viel Zeit haben, bis die eine oder andere Seite von unserer Anwesenheit Wind bekommt…«
»Ich glaube, du hast recht, Louise«, stimmte Mark ihr zu. Beide Virtuellprojektionen waren über Hochgeschwindigkeits-Datenbusse mit den Zentralprozessoren verbunden und befaßten sich mit verschiedenen Aspekten der Situation. »Wir sollten uns nicht durch die Tatsache täuschen lassen, daß dieser unglaubliche Krieg zum größten Teil nur mit Unterlichtgeschwindigkeit geführt wird, so daß er – in diesem Maßstab – die Dynamik eines die Sahara durchquerenden Ameisenhaufens hat. Wir dürfen nicht vergessen, daß die Xeelee über einen Hyperantrieb verfügen – den wir gestohlen haben –, und nach unseren Erkenntnissen haben die Photino-Vögel auch einen. Wir könnten also jederzeit entdeckt werden.«
»Gib mir also einen Lagebericht.«
Mark nickte. »Zunächst unsere Position in der Zeit: Seilspinnerin hat so viele geschlossene zeitgleiche Pfade konstruiert, daß wir aus der Ära, in die unser erster Flug uns geführt hatte, hunderttausend Jahre in die Vergangenheit reisen konnten.« Er blickte zur Himmelskuppel hinauf und erhob sich ein paar Meter in die Luft, wobei er zerstreut vergaß, seinen Virtuell-Gleiter mitzunehmen. »Soweit wir sagen können, ist der Ring in dieser Ära noch intakt. Er hat eine gigantische Masse – sie übt daher eine Anziehungskraft auf uns aus. Eine große sogar… Der Ring zieht uns auf einer Kreisbahn durch den Raum. Seilspinnerin scheint das zu korrigieren…«
»Lieserl. Sag mir, was du hast.«
Lieserl schien den Blick von diesem quälenden Lichtpunkt im Herzen des Rings schier losreißen zu müssen. Sie schaute zu Louise hinunter.
»Ich habe den Ring, Louise. Wir sind in eine Zeit vor seiner Zerstörung versetzt
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