Xeelee 4: Flux
Oberströmler- Kraftzum Tragen. Die Feldlinien schienen wie Speere an ihm vorbeizufliegen, und eine leichte Brise spielte in seinem Haar.
Der Korridor aus Feldlinien erstreckte sich in die Unendlichkeit. Der Rausch der durch die Schußfahrt erzielten Geschwindigkeit war viel schöner, als sich mühsam um die Feldlinien zu schrauben. So schnell war er noch nie im Leben gewesen. Er stieß einen Jubelruf aus.
Er hörte, daß Ray den Schrei erwiderte. Er blickte über die Schulter. Sie verfolgte ihn, doch er hatte einen ordentlichen Vorsprung, und es würde noch eine Weile dauern, bis sie ihn eingeholt hatte. Sie legte die Hände an den Mund und rief ihm etwas zu. Er runzelte die Stirn und schaute sich erneut um, doch er verstand immer noch nicht, was sie ihm sagen wollte. Nun deutete sie auf ihn – nein, an ihm vorbei.
Er drehte den Kopf wieder in Flugrichtung. Da stand ihm etwas im Weg.
Ein Spinnennetz.
Die filigranen, schimmernden Fäden schienen den ganzen Himmel zu überspannen. Er sah die Punkte, an denen das Netz an den Feldlinien aufgehängt war, Geweberinge, welche die Linien einfaßten, ohne daß sie jedoch die glühenden Spin-Singularitäten berührt hätten. Zwischen den Befestigungsringen waren lange Fäden über die Feldlinien gespannt. An sich war das komplexe Geflecht fast unsichtbar; weil es aber vom gelbpurpurnen Glühen des Mantels angestrahlt wurde, stand es als leuchtendes Netz am Himmel.
Das war wirklich ein sehr schöner Anblick, sagte Farr sich abwesend. Aber es war auch eine Wand, die da am Himmel stand.
Die Spin-Spinne selbst hing als dunkle Masse links oben in seinem Blickfeld. Sie sah aus wie ein aufgedunsenes, aufgeschlitztes Luft-Schwein. Ihre sechs Beine waren mannshoch, und sie hatte das Maul so weit aufgerissen, daß sie ihn am Stück hätte verschlucken können. Die Kreatur machte sich am Netz zu schaffen; vielleicht reparierte sie gerissene Fäden. Er fragte sich, ob die Spinne ihn schon bemerkt hatte – ob sie bereits zum Ort des wahrscheinlichen Aufpralls unterwegs war oder ob sie warten würde, bis er sich in den klebrigen Fäden verfangen hatte.
Es waren erst wenige Augenblicke vergangen, seit er das Netz erspäht hatte, und doch hatte die Entfernung sich schon deutlich verringert.
Er bearbeitete das Magfeld mit dem Surfbrett und versuchte, die Geschwindigkeit aufzuzehren. Doch er wußte jetzt schon, daß er nicht rechtzeitig zum Stehen kommen würde. Mit einem schnellen Blick suchte er nach den Rändern des Netzes. Wenn es schon nicht möglich war, zu stoppen, so gelang es ihm vielleicht, den Kurs zu ändern und die Falle zu umfliegen. Aber er sah die Ränder des Netzes nicht. Die Netze der Spin-Spinnen erreichten manchmal einen Durchmesser von mehreren hundert Mannhöhen.
Vielleicht gelang es ihm, das Netz zu zerreißen und durchzubrechen, bevor die Spinne ihn zu fassen bekam. Das war eigentlich unmöglich – das Netz bestand aus mehreren Lagen klebriger Fäden –, doch es war seine einzige Chance.
Weshalb war er auch so dumm gewesen, in eine solche Falle zu tappen? Mit diesem Verstoß gegen elementare Sicherheitsbestimmungen der Menschlichen Wesen war sein Image als Oberströmler, als wilder Junge, nachhaltig beschädigt. Ray und Cris würden ihn nun für einen Narren halten. Seine Schwester würde ihn für einen Schwachkopf halten, wenn sie davon hörte. Er hörte schon ihre Stimme, in der das Timbre ihres Vaters mitschwang: ›Du mußt immer flußaufwärts und flußabwärts schauen. Immer. Wenn du ein Luft-Schwein aufscheuchst, welchen Weg nimmt es dann? Flußabwärts oder flußaufwärts, entlang der Flußlinien, weil es dort am schnellsten vorankommt – jedes Tier weiß das. Schneidest du jedoch die Flußlinien, dann hemmt das Magfeld deine Bewegung. Deshalb legen die Räuber ihre Fallen auch längs zu den Flußlinien aus und warten dann darauf, daß jemand so dumm ist, in diese Richtung zu fliehen und ihnen direkt in den Rachen zu laufen…‹
Plötzlich stand das Netz riesengroß am Himmel. Er erkannte weitere Details – dicke Knoten an den Schnittstellen der Fäden und die klebrige Schicht auf den Fäden selbst. Er drehte sich und stieß das Brett vorwärts, wobei er versuchte, auf maximale Geschwindigkeit zu beschleunigen. Er ging auf dem Brett in die Hocke, stieß sich mit voller Kraft ab und verschränkte die Arme über dem Kopf.
Das Bewußtsein würde er bei der Kollision mit dem Netz nicht verlieren. Wahrscheinlich würde er sich nicht einmal
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