Xeelee 4: Flux
wenn sie in der Lage gewesen wären, die Xeelee zu besiegen«, sagte Adda, »so gab es doch weise Ur-Menschen, die erkannten, daß die Vernichtung der Xeelee genauso unklug gewesen wäre, wie wenn ein Kind seinen Vater tötet. Die Xeelee wirken nämlich in unserem Interesse und führen im Verborgenen gigantische Kämpfe, um uns vor unbekannten Gefahren zu schützen. Ihre Wege sind unerforschlich, und wir sind nicht mehr als Staubkörner für sie. Dennoch sind sie unsere einzige Hoffnung.«
Hork musterte ihn düster und fuhr sich mit den Wurstfingern durch den Bart. »Gibt es dafür auch irgendwelche Beweise? Die bisherigen Informationen beruhen schließlich nur auf Legenden und Hörensagen…«
»Das ist wahr«, sagte Muub, »doch von einer solchen Quelle war auch nicht mehr zu erwarten, Sir…«
Hork zog sich aus der Schlinge, wobei sein massiger Körper wie ein Sack Quecksilber zitterte. »Du bist verdammt zu geduldig, Doktor. Legenden und Hörensagen. Das Gefasel eines senilen, alten Narren!« Er schwamm zum Vortex-Ring und knallte die Faust in die filigranen Kugeln, die ihn umgaben. Die äußerste Sphäre hüllte die Faust wie eine Wolke ein, und der Vortex-Ring zerbrach in eine Reihe kleinerer Ringe, die umeinanderwirbelten und rapide schrumpften. »Soll ich die Zukunft der Stadt und meines Volkes etwa von diesem Gequatsche abhängig machen? Und was ist mit uns, Oberströmler? Vergiß diese mythischen Menschen auf anderen Welten. Weshalb interessieren die Xeelee sich für uns?… Und was soll ich dagegen unternehmen?«
Adda ignorierte den zornigen Hork und verfolgte das Bestreben des Vortex-Rings, sich zu rekonfigurieren.
15
BZYA LUD FARR IN SEINE TIEF in der Unterstadt gelegene Wohnung ein.
Grundsätzlich wurde von den Hafenarbeitern erwartet, daß sie im Hafen selbst übernachteten, in den großen, stinkenden Wohnheimen. Die Behörden legten nämlich Wert darauf, daß die Leute für den Fall einer Katastrophe sofort verfügbar waren – außerdem hatten sie die Arbeiter so besser unter Kontrolle. Wenn Bzya und Farr das Hafen gelände verlassen wollten, mußten sie es arrangieren, daß sie zur selben Zeit schichtfrei hatten und einen Passierschein erhielten, und dann mußten sie noch einmal mehrere Wochen warten, bis Hosch ihnen den Urlaub widerwillig genehmigte.
Der Hafen, eine große kugelförmige Konstruktion, die in die Basis der Stadt eingebettet war, wurde von einer eigenen Haut umschlossen und besaß auch ein eigenes, verstärktes Gerippe aus Kernstoff, um den von den Glocken -Winden ausgeübten Kräften zu widerstehen. An der Funktionalität des Hafens gab es in Farrs Augen nichts zu beanstanden, nur daß die Räumlichkeiten verdammt beengt waren, selbst für die Verhältnisse von Parz. Deshalb spürte er auch eine gewisse Erleichterung, als er durch das große Tor des Hafens trat und wieder ins Labyrinth der Straßen von Parz eintauchte.
Die engen, sich verzweigenden Straßen führten in alle Richtungen. Farr schaute sich um, wobei er sich jetzt schon verloren vorkam. Es bestand kaum Hoffnung, daß er sich in diesem dreidimensionalen Irrgarten je zurechtfinden würde. Bzya rieb sich grinsend die Hände und bog in eine der Straßen ein. Trotz seiner Körperfülle entwickelte er beim Schwimmen eine beachtliche Geschwindigkeit. Farr musterte die Straße. Er sah keinen Unterschied zu den anderen. Weshalb gerade diese? Wie hatte Bzya sie überhaupt erkannt? Und…
Und Bzya war bereits hinter der ersten Kurve verschwunden.
Farr stieß sich von der Hafenwand ab und folgte Bzya.
Das Hafenviertel war eines der schäbigsten der ganzen Stadt. Die Straßen waren eng und gewunden. Das dumpfe Stampfen, das aus den unmittelbar über diesem Sektor gelegenen Dynamohallen drang, bildete eine permanente Geräuschkulisse. Die Wohnquartiere glichen offenen Mündern; bei den meisten fehlten die Türen oder gar Teile der Wände. Farr war sich der neugierigen, hungrigen Augen bewußt, die ihn verfolgten. Ab und zu schwammen Leute unsicher an ihm vorbei. Es handelte sich um Männer und Frauen, zum Teil Hafenarbeiter, von denen viele sich in dem seltsamen Zustand befanden, der als ›Trunkenheit‹ bezeichnet wurde. Die Leute wechselten kein Wort, weder mit ihm noch mit ihresgleichen. Farr schauderte; er fühlte sich unbehaglich und exponiert. Es war, als ob er sich im Krusten-Wald verirrt hätte.
Nachdem Bzya eine Zeitlang ein strammes Tempo vorgelegt hatte, wurde er schließlich langsamer. Sie mußten sich nun
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