Xperten 1.2 - Der Mindcaller
letzten beiden Jahren, da war es anders. Da muss etwas geschehen sein, denn ich habe dein Gesicht immer wieder vor mir gesehen und hatte das Gefühl, dass es dir auch so geht.«
Aroha ist berührt. ‚Das Kapakapa?‘, denkt sie. Dann fällt ihr ein, endlich Kevin vorzustellen.
Die Großmutter schaut Kevin lange forschend an: »Nein, von dir habe ich nicht gewusst, dass du kommen wirst. Aber ich freue mich, dass du da bist und Aroha gebracht hast. Kommt nur alle herein... und das gilt auch für euch Kinder, die ihr alle neugierig herumsteht!«. Inzwischen hatte sich die Ankunft von Fremden herumgesprochen und Kinder waren mehr oder minder scheu herangekommen, um in Erfahrung zu bringen, was hier geschieht.
»Großmutter, du sprichst jetzt fließend Englisch?«, wundert sicht Aroha. Die Großmutter schüttelt lächelnd den Kopf.
»Hast du wirklich geglaubt, dass ich fast nur Maori spreche? Übrigens, wenn du über mich redest, kannst du mich durchaus ‘die Alte’ nennen, ich weiß, dass ihr das hinter meinem Rücken immer gemacht habt, ihr kleinen Schufte!«
[23] ‚Mindcaller‘ lässt sich auf Deutsch mit einem Wort wie ‚Gedankenrufer‘ nur sehr schlecht übersetzen.
Aroha schaut sich im einfachen Zimmer um. »Du hast jetzt auch ein Telefon«, sagt sie erstaunt.
»Die Zeiten ändern sich eben. Das ist nicht gut und nicht schlecht.« Dann schüttelt sie den Kopf ein bisschen. »Aber jetzt musst du erzählen, wie es dir geht und was du die ganze Zeit gemacht hast, nachdem du mich als kleiner Knopf vor ... es müssen bald 15 Jahre sein! ... verlassen hast.«
Der Nachmittag vergeht wie im Flug, fast zu schnell. Aroha lernt alle Mitglieder ihrer Großfamilie kennen, die jungen und die alten, und dann wird es langsam Zeit für die Rückfahrt. Aroha hat die Telefonnummer der Großmutter sorgfältig notiert. Sie weiß, dass sie ab jetzt mit ihr in Kontakt bleiben wird.
Lange fahren sie schweigend, beide gehen noch einmal durch, was sie heute gehört und erlebt haben. Aroha erwähnte das Kapakapa nicht. Sie ist sich sicher, dass die Großmutter es verstanden hätte, ja ihr vielleicht sogar einiges erklären hätte können, aber sie fühlt, dass sie die anderen Mitglieder der Familie nicht genug kennt, um dieses Geheimnis allen zu verraten.
»Weißt du, mir ist heute aufgefallen, dass das Maori Wort für ‚Vision‘ eigentlich Whakarehu ist. Ich weiß nicht, ob das nicht fast der bessere Ausdruck für meinen Anhänger ist als Kapakapa, was ja eigentlich nur Halsschmuck bedeutet«, sagt Aroha.
Ken denkt nach: »Das ist deine Entscheidung. Aber ich habe mich inzwischen sehr an Kapakapa gewöhnt. Und wenn du wirklich einen anderen Namen verwenden willst, dann käme mir ‚Mindcaller‘ 23 fast noch besser vor. Hast du nicht auch das Gefühl, dass die Großmutter wusste, dass du kommst, weil du einen solchen ‚Mindcaller‘ hast, dass du deshalb ihr Gesicht und andere immer wieder gesehen hast, und Wind, Mutter Erde und viele andere mit dir über diesen ‚Mindcaller‘ geredet haben, dir Verschiedenes gezeigt haben?«
Aroha murmelt nachdenklich: »Mindcaller. Ja, vielleicht hast du recht, das Wort beschreibt vielleicht wirklich am besten, was das Kapakapa tut.... Übrigens, ich danke dir mehr als ich es ausdrücken kann, dass du heute mitgekommen bist«. Aroha streicht sich verlegen über ihr wuscheliges Haar.
[24] Der Tongariro Nationalpark umfasst drei noch immer aktive Vulkane etwa am halben Weg zwischen Auckland und Wellington. Mount Ruapehu, mit seinem heißen Kratersee und den guten Schigebieten an seinen äußeren Abhängen, ist wohl der bekannteste der drei Berge. Der knapp 3.000 m hohe Gipfel ist im Sommer und Winter wegen seiner extremen Windgeschwindigkeiten gefürchtet.
»Mir hat es auch sehr gut gefallen. Es war schön, mit dir dabei sein zu können. Und ich muss schon sagen, deine Verwandten haben mich so nett behandelt ... und so großzügig als hätte ich seit Wochen nichts mehr gegessen«, lacht Kevin.
»Ich weiß nicht, wie viele Verhaltensregeln wir heute gebrochen haben. Großmutter war da seinerzeit sehr genau. Aber sie hat sich offenbar sehr gefreut uns zu sehen, und es tat ihr sichtlich leid, als wir aufbrachen. Also haben wir uns wohl zusammen ganz gut geschlagen.«
In freundschaftlicher Stille fahren sie durch die hügelige Landschaft, da und dort mit einem Blick auf eine Bucht oder das Meer. Als sie sich der Stadt nähern sagt Kevin plötzlich:
»Ich muss nächsten Freitag
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