YANKO - Die Geschichte eines Roma
aber wenn du wieder säufst, macht mich das echt nervös! Ich weiß, es ist deine Sache... Ich will dir ja nur helfen!”, gab Keith leise zur Antwort und war froh, dassYanko sich wieder beruhigt hatte. „Ich weiß, aber manchmal muss ich einfach mal allein sein... Wenn ich selbst nicht spüre, wo und wie es weitergeht, dann machen mich auch noch so lieb gemeinte Ratschläge nur noch mehr durcheinander! Hey... Ich will ja leben, ok?! Ich suche ja ständig nach dem Weg auf dem ich glücklich sein kann... aber ich brauche jetzt Zeit zum Fühlen!“
Keith sah seinen Bruder an und nickte dann verständnisvoll. Er selbst war viel zu selten allein. Alleinsein machte ihm richtig Angst, und er flüchtete sich lieber in irgendwelche Gesellschaft, wenn er sich mal nicht so gut fühlte. Im Romabewusstsein gibt es kein Individuum. Alleinsein bedeutete in den schlimmen Zeiten Bedrohung oder sogar den Tod. Nur in der Gruppe gab es Sicherheit. Er bewunderte Yanko insgeheim dafür, dass er offensichtlich keine Angst davor hatte allein zu sein.
„Und ich muss endlich lernen die Dinge einfach mal so sein zu lassen, wie sie sind und aufhören sie ständig kontrollieren zu wollen! Ich tu das ja nur, weil... weil... ich Angst habe...“, gab Keith schließlich zu und fühlte zum ersten Mal das annähernde Ausmaß seiner Angst, und sie schien sich über ihm zusammenzubrauen wie eine schwere, dunkle Orkanwolke, die langsam aber sicher seinen Körper in Besitz nahm.
„Komm her!”, sagte Yanko nur und nahm seinen Bruder in den Arm.
D ie Zeit verging, und es wurde Frühling.
Mitte März war Yanko wieder in San Francisco und hatte mit Janina zusammen einige Auftritte im Tanzclub. Es ging ihm wieder etwas besser, obwohl er nicht aufgehört hatte zu trinken. Aber er schlief wieder bei ihr und fühlte sich wieder einigermaßen gesellschaftsfähig.
An einem der Abende saßen Yanko und Janina noch mit einigen Freunden zusammen an einem Tisch im Club. Der Club war, wie immer wenn sie tanzten gut besucht, und die Musik dröhnte aus den Lautsprechern und hüllte die Leute in einen groovigen Sound.
Yanko stand plötzlich auf und ging zum Tresen. Sein Körper hatte schon beim letzten Tanz angefangen zu zittern. Dort bestellte er einen doppelten Whisky und achtete darauf, dass die anderen ihn nicht sehen konnten. Er kippte den Whisky auf ex ab und bestellte gleich noch einen, den er auch sofort austrank. Dann ging er vor die Tür um eine zu rauchen. Kurz dachte er über die letzten Abende nach und machte sich Vorwürfe, dass er Janina jedes Mal wenn er bei ihr war zum Alkoholtrinken animierte, nur damit sie seine Fahne nicht riechen würde. Aber er hatte sich bis jetzt noch nicht dazu durchringen können es ihr zu sagen. Er drückte die Zigarette aus, ging zum Tisch zurück und setzte sich wieder.
Kurz darauf brachte eine Bedienung ein vollbeladenes Tablett mit Bier zu ihnen und stellte die Gläser auf den Tisch. Sie deutete mit dem Arm auf einen Gast, der an der Theke saß und offensichtlich in Spendierlaune war. Der Gast winkte ihnen freundlich zu, und alle außer Yanko griffen sich beherzt ein Glas. Yanko zögerte erst, nahm aber dann doch schließlich, zum Erstaunen aller, ein Glas in die Hand. Ihm war es auf einmal völlig egal, was die anderen denken oder sagen könnten. Sie wussten ja nicht viel über ihn, nur dass erim Club bis jetzt keinen Alkohol getrunken hatte. Und plötzlich hatte er auch keine Lust mehr, Janina etwas vorzumachen, und es war ihm von jetzt auf nachher ebenfalls egal was sie darüber denken würde.
Sie prosteten dem Gast zu und tranken. Janina stellte ihr Glas danach wieder ab und schaute ihn fragend an. Yanko zuckte nur mit den Schultern und bestellte bei der Bedienung, die noch am Tisch stand, gleich noch eine Runde und deutete auch auf den Mann an der Theke.
Spät in der Nacht, als sie endlich in Janinas Wohnung angekommen waren, stellte Yanko seinen Rucksack im Wohnzimmer ab. Er war ziemlich betrunken, und Janina beobachtete ihn besorgt. Sie warf ihre Tasche auf das Sofa und zog ihre Schuhe aus. Yanko ging zum Balkon und wollte gerade die Tür aufmachen. „Warum?”, fragte sie nur. „Was warum?”, fragte Yanko und hoffte, dass ihm die Fragerei diesmal erspart bleiben würde. „Warum hast du wieder angefangen?”, hörte er stattdessen und spürte, dass er sofort wieder wütend wurde. Yanko öffnete die Balkontür und sagte so ruhig wie möglich, denn er wollte sich nicht mit ihr streiten: „Es kam
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