Yelena und der Mörder von Sitia - Snyder, M: Yelena und der Mörder von Sitia
ergriff sie. Die dunkle Ebene verschwamm, und undeutliche Formen nahmen Gestalt an. Die Farben kehrten zurück, als sich am Horizont die ersten Sonnenstrahlen ankündigten.
Blinzelnd versuchte ich mich zu orientieren. Die Lichtung, an der ich Kiki und Leif zurückgelassen hatte, sah auf einmal ganz anders aus. Große, runde Zelte waren rund um eine riesige Feuergrube aufgebaut. Auf das weiße Leinen waren die Umrisse von Tieren in brauner Farbe gemalt. Dunkelhäutige Menschen liefen um das prasselnde Feuer herum. Einige kochten, während andere sich um Kinder kümmerten. Einige trugen Kleidung, andere liefen nackt umher. Sämtliche Kleidungsstücke waren aus weißer Baumwolle gefertigt. Die Frauen trugen entweder ärmellose Kleider, die ihnen bis zu den Knien reichten, oder wie die Männer eine Tunika und kurze Hosen.
Nahe am Feuer saßen Irys und Cahil im Schneidersitz neben zwei älteren Männern und Frauen. Sie waren so sehr in ihr Gespräch vertieft, dass sie mich nicht wahrnahmen. Leif oder sein Pferd konnte ich nirgendwo erblicken, aber Kiki stand dicht neben einem der Zelte. Eine Frau in kurzen Hosen striegelte sie. Ihr braunes Haar wippte im Nacken.
Ich zuckte zusammen, als ich merkte, dass Mondmann nicht mehr neben mir stand. Und er war auch sonst nirgendwo in dem kleinen Dorf zu sehen. Vielleicht hielt er sich in einem der Zelte auf.
Da ich Irys nicht stören wollte, ging ich zu Kiki. Sie wieherte zur Begrüßung. Die Frau hörte auf, ihr den Staub aus dem Fell zu bürsten. Schweigend betrachtete sie mich.
Wer ist das? , fragte ich Kiki.
Mutter.
„ Ist das dein Pferd?“, fragte die Frau mit singendem Tonfall. Zwischen jedem Wort machte sie eine kurze Pause.
Ich erinnerte mich an Irys’ Lektion über die Sandseeds vom Abend zuvor. Die Frau hatte zuerst gesprochen, also war es wohl in Ordnung, wenn ich ihr antwortete. „Ich gehöre ihm.“
Sie ließ ein kurzes, nasales Lachen hören. „Ich habe sie großgezogen, unterrichtet und auf die Reise geschickt. Es ist schön, sie wiederzusehen.“ Sie trat gegen den Sattel, der auf dem Boden lag. „So was braucht sie nicht. Sie wird unter dir hinwegfliegen wie eine Windbö.“
„Der ist für mich. Und für unsere Vorräte.“
Wieder lachte sie amüsiert und fuhr fort, Kiki zu striegeln. Kurz danach beendete sie ihre Tätigkeit. Kiki sah sie aus ihren blauen Augen an, und die Frau schaute, Zustimmung in ihrer Miene, zurück. Unvermittelt stieß sie einen Jauchzer aus und schwang sich auf Kikis Rücken.
Viel Spaß , sagte ich zu Kiki, als sie durch das hohe Gras galoppierte.
„Ist das klug?“, fragte Cahil. Er sah Kiki nach, bis sie hinter einem Hügel verschwunden war. „Wenn die Frau nun nicht zurückkommt?“
„Es ist mir egal, ob sie zurückkommt oder nicht.“ Achselzuckend sah ich an Cahil vorbei. Irys und die drei Mitglieder aus dem Sandseed-Clan standen nahe beim Feuer. Sie waren noch immer ins Gespräch vertieft. Einer der Männer gestikulierte, wie es schien, recht ärgerlich.
„Es ist dir egal, ob sie Kiki stiehlt?“
Anstatt Cahil über meine Beziehung zu Kiki aufzuklären, sah ich ihm forschend ins Gesicht. In seinem Blick lag eine große Nervosität. Unruhig blickte er sich im Lager um, als erwartete er jeden Moment eine Attacke.
„Was ist passiert?“, fragte ich ihn mit einer Kopfbewegung zu Irys.
„Gestern Abend haben wir das Lager aufgeschlagen und auf dich und Leif gewartet. Ich habe mir Sorgen gemacht, als du nicht kamst, aber Irys schien das überhaupt nicht zu kümmern. Dann tauchte auf einmal diese Abordnung der Sandseeds bei uns auf. Es waren die Clan-Führer. Sie reisen von Dorf zu Dorf, bringen Neuigkeiten und Waren mit und schlichten Streitereien. Es war ganz praktisch, dass sie uns gefunden haben. Aber ich glaube, sie verbergen etwas.“
Als ich Cahils Stirnrunzeln sah, fiel mir mein Bruder ein. „Wo ist Leif?“
Besorgt sah er mich an. „Sie haben gesagt, er sei zum Bergfried zurückgereist. Aber warum sollte er das tun?“
Weil er ebenfalls Angst hatte. Doch ich sagte nur: „Vielleicht wollte er die roten Lehmproben so schnell wie möglich zu Bain bringen.“
Cahil schien das nicht zu überzeugen. Ehe ich weitere Fragen stellen konnte, hatte Irys ihr Gespräch beendet und war zu uns hinübergekommen.
„Sie sind verärgert“, sagte sie.
„Warum?“, wollte ich wissen.
„Sie glauben, wir beschuldigen sie, Tulas Angreifer das Curare gegeben zu haben. Und Cahils Versuche, sie für seine Sache zu
Weitere Kostenlose Bücher