Yelena und die Magierin des Südens - Snyder, M: Yelena und die Magierin des Südens
fragte mich, was er von mir gewollt hatte. Höchstwahrscheinlich Rache, aber wie kann man einen Geist in die Schranken weisen? Ich beschloss, mir an diesem Abend keine Sorgen darüber zu machen.
Ich schlüpfte in die saubere Uniform, flocht die leuchtend bunten Bänder in mein Haar und ließ sie über meine Schultern und meinen Rücken fließen. Als ich mich beim Commander zum Abendessen meldete, machte ich mich auf eine spöttische Bemerkung wegen meines unmilitärischen Haarschmucks gefasst.Doch eine hochgezogene Augenbraue war seine einzige Reaktion.
Nach dem Abendessen eilte ich in die Küche, wo Rand mich mit einem breiten Lächeln empfing. Das Küchenpersonal war noch mit Auf räumen beschäftigt. Um nicht nutzlos herumzustehen, half ich ihnen beim Scheuern der Tischplatten und des Fußbodens. Rand legte Wert auf eine makellose Küche, und erst als sie vor Sauberkeit glänzte, waren die Dienstboten entlassen.
Rand tauschte seine schmutzige Uniform gegen eine frische. Unterdessen beobachtete ich aus den Augenwinkeln eine Gruppe von Leuten, die sich unterhielten, während sie auf ihn warteten. Ich kannte sie alle vom Hörensagen, hatte allerdings noch mit keinem von ihnen ein Wort gewechselt. Hin und wieder schaute einer von ihnen misstrauisch in meine Richtung. Ich unterdrückte einen Seufzer und versuchte, mich nicht davon beeinflussen zu lassen. Im Grunde genommen konnte ich ihnen keinen Vorwurf machen, denn es war schließlich kein Geheimnis, dass ich Reyad getötet hatte.
Porter war der Älteste aus der Gruppe. Er kümmerte sich um die Hundezwinger des Commanders und war ebenfalls ein Überlebender aus der Regierungszeit des Königs. Seine Dienste waren für zu wichtig erachtet worden, um ihn ersetzen zu können. Meistens blickte er finster drein. Lächeln sah man ihn nur selten. Rand war sein einziger Freund. Mit einem Unterton in der Stimme, der soviel sagen wollte wie „Ich kann nicht glauben, dass jemand einen solchen Unsinn für bare Münze nimmt“, hatte Rand mir einige Geschichten über ihn erzählt. Wilde Gerüchte, denen zufolge Porter eine geistigseelische Verbindung zu seinen Hunden pflegte, machten ihn zu einem Außenseiter.
Die unheimliche Art und Weise, in der die Hunde Porter verstanden und auf ihn reagierten, erschien in höchstem Maße unnormal. Geradezu magisch. Allein der Verdacht der Zauberei reichte den anderen aus, Porter zu behandeln, als habe er eine ansteckende Krankheit. Aber es gab nicht den geringsten Beweis, und immerhin war seine Beziehung zu den Hunden manchem von Nutzen. Der Commander etwa wusste dies sehr zu schätzen.
Sammy war Rands Laufbursche. Die einzige Aufgabe des schmalen Zwölfjährigen bestand darin, alles zu besorgen, was Rand benötigte. Ich hatte schon erlebt, dass Rand Sammy in der einen Sekunde anbrüllte und in der nächsten fest an seine Brust drückte.
Liza war eine stille Frau, nur ein paar Jahre älter als ich, und als Hauswirtschafterin der Burg verantwortlich für die Speise- und Vorratskammern. Jetzt zupfte sie nervös an den Ärmeln ihrer Uniform. Vermutlich dachte sie, dass es sogar besser sei, sich mit Porter zu unterhalten, als in meiner Nähe zu sein.
Sobald Rand fertig angezogen aus seinem Zimmer kam, verließen wir die Burg. Sammy lief vor uns her. Er war viel zu aufgeregt, als dass es ihn lange bei uns gehalten hätte. Porter und Liza setzten ihre Unterhaltung fort, während Rand und ich ihnen folgten.
Die Nachtluft war erfrischend. Ich sog den Geruch von feuchter Erde, vermischt mit dem schwachen Aroma von rauchendem Holz, ein. Seit fast einem Jahr war dies mein erster Ausflug ins Freie, und ehe wir das Burgtor passierten, das zwischen hohen Pfeilern in die wuchtige Steinmauer eingelassen war, die die gesamte Anlage einfasste, warf ich einen Blick zurück. Ohne Mondlicht war es zu dunkel, um Einzelheiten erkennenzu können. Ich sah nur einige erleuchtete Fenster und die hoch aufragenden Wände. Das gesamte Gebäude schien verlassen zu sein. Falls Valek mir folgte, konnte ich ihn nirgendwo entdecken.
Kaum hatten wir das Tor hinter uns gelassen, wehte uns eine frische Brise ins Gesicht, die die stickige Luft des Tages wegblies. Mit leicht vom Körper abgewinkelten Armen ließ ich den Wind an mir vorbeiziehen. Meine Uniform flatterte und mein Haar tanzte mir ums Gesicht. Tief atmete ich ein und genoss die kühle Abendluft. Wir liefen durch die Wiesen, die sich jenseits der Burgmauern erstreckten. Im Umkreis von einer Viertelmeile
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