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Yelena und die Magierin des Südens - Snyder, M: Yelena und die Magierin des Südens

Yelena und die Magierin des Südens - Snyder, M: Yelena und die Magierin des Südens

Titel: Yelena und die Magierin des Südens - Snyder, M: Yelena und die Magierin des Südens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria V. Snyder
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Talent in uns zu suchen, mit dem wir uns hervortun konnten. Einige fanden ihre Erfüllung im Singen und Tanzen; ich dagegen war seit meinem ersten Feuerfest von Akrobatik fasziniert.
    Trotz intensiven Übens fiel ich bei meiner ersten Teilnahme an einem Wettbewerb in der Qualifizierungsrunde durch. Die Enttäuschung brach mir fast das Herz, aber ich bekämpfte den Schmerz mit umso größerer Entschlossenheit. Im folgenden Jahr gab es keine Stelle an meinem Körper, die nicht mit blauen und grünen Flecken übersät war. Irgendwann hörte ich auf, die Verstauchungen zu zählen. Beim nächsten Fest bestandich die Aufnahmeprüfung und die erste Runde, doch in der zweiten stürzte ich vom Hochseil. Jahr für Jahr übte ich intensiver und wurde immer besser. Endlich schaffte ich es bis zum Endkampf – ein Jahr, bevor Brazell und Reyad mich zu ihrer Laborratte machten.
    Sie verboten mir das Üben, aber das hielt mich nicht davon ab, mich fortzustehlen, wann immer Reyad im Auftrag seines Vaters unterwegs war. Doch einmal erwischte er mich. Es war eine Woche vor dem Fest, und er kam früher als geplant von einer Reise nach Hause. Ich war so sehr mit meiner Übung beschäftigt, dass ich ihn erst auf seinem Pferd bemerkte, als ich mein letztes Rad geschlagen hatte. In seiner Miene lag eine Mischung aus Zorn und Triumph, die mir den Schweiß auf der Stirn förmlich gefrieren ließ.
    Weil ich seine Anordnungen nicht befolgt hatte, durfte ich in jenem Jahr nicht auf das Feuerfest. Und als zusätzliche Abschreckung für meinen Ungehorsam erhielt ich an jedem Tag des Fests eine weitere Strafe. Fünf Tage lang musste ich mich allabendlich vor Reyad nackt ausziehen. Mit einem hinterhältigen Lächeln betrachtete er mich von oben bis unten, und trotz der warmen Nacht zitterte ich am ganzen Körper. Er legte mir einen Metallring um den Hals, Handschellen und Eisenmanschetten um Hand- und Fußgelenke und verband die Teile mit schweren Ketten. Ich hätte am liebsten laut geschrieen und mit den Fäusten auf ihn eingeschlagen, aber ich befürchtete, ihn damit nur wütender zu machen.
    Er weidete sich so sehr an meiner Furcht und Erniedrigung, dass sein Gesicht vor Schadenfreude puterrot anlief. Mit einer kleinen Peitsche zwang er mich zu akrobatischen Kunststücken, die er sich selbst ausgedacht hatte. Bewegte ich mich zu langsam, versetzte er mir einen scharfen Peitschenhieb aufdie blanke Haut. Wenn ich mich bewegte, klirrten die Ketten gegen meinen Körper. Ihr Gewicht zog mich zu Boden und machte jeden Überschlag zu einer Qual. Die Handschellen und Fußmanschetten rieben meine Haut wund, bis das rohe Fleisch sichtbar wurde. Blut floss mir über Arme und Beine.
    Wenn Brazell an den Übungen teilnahm, folgte Reyad penibel den Anweisungen seines Vaters, doch war er mit mir allein, wurde der Drill zu einer grausamen Quälerei. Manchmal bat er seinen Freund Mogkan, ihm zu helfen, und sie wett eiferten miteinander, wer sich die gemeinsten Übungen ausdenken konnte, um meine Ausdauer auf die Probe zu stellen. Es war die reinste Hölle.
    Und ständig schwebte ich in der Furcht, dass Reyad die einzige Grenze, die er sich gesetzt hatte, übertreten würde, falls ich ihn zu sehr reizte. Bei allen Qualen und Schmerzen, die er mir zufügte, hatte er mich nie vergewaltigt. Also schlug ich Rad und Salti mit meinen Ketten, um zu verhindern, dass es bis zum Äußersten kam.
    Rands Arm fiel schwer auf meine Schulter. Sofort war ich wieder in der Gegenwart.
    „Yelena! Was ist los?“ Rand musterte mich besorgt. „Du hast ausgesehen, als hättest du mit offenen Augen etwas Schreckliches geträumt.“
    „Tut mir Leid.“
    „Du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Hier …“ Er drückte mir eine dampfende Fleischpastete in die Hand. „Sammy hat sie uns mitgebracht.“
    Als ich mich zu Sammy umdrehte, um mich zu bedanken, riss er die Augen auf, und sein Kindergesicht wurde kreideweiß. Rasch wandte er den Blick ab. Wie immer war mein erster Bissen die Giftprobe. Als ich nichts Ungewöhnlichesschmeckte, aß ich weiter, wobei ich mich fragte, welche ungeheuerlichen Geschichten man sich von mir erzählte, dass Sammy so entsetzt reagiert hatte. Normalerweise erzählen Kinder in seinem Alter doch gerne Schauermärchen, um sich gegenseitig Angst zu machen.
    Im Waisenhaus hatten wir auch versucht, einander mit Gruselgeschichten zu übertreffen, nachdem die Kerzen gelöscht waren und wir in unseren Betten auf den Schlaf warteten. Gewisperte Erzählungen

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