Yelena und die verlorenen Seelen - Snyder, M: Yelena und die verlorenen Seelen
Merkwürdiges ihre Aufmerksamkeit erregt – glitzerndes Sonnenlicht, das von einem rot gefärbten Teich reflektiert wurde. Seltsamer freilich als die Farbe war jedoch dessen Form. Während sie noch überlegte, woran der Umriss sie erinnerte, durchlebte sie noch einmal die ganze Panik und die Angst, die sie empfunden hatte, als sie aus dem Verschlag gezerrt und in den Schuppen gesteckt worden war.
Ein Diamant, rief sie. Der See hat die Form eines Diamanten .
Es war ein Anfang. Ich bedankte mich bei ihr für ihre Hilfe und versprach, sie und die anderen zu finden.
Danach brach ich die Verbindung zu Gale und Jenniqilla ab und konzentrierte mich wieder auf Bavol. Während ich zu ihm zurückkehrte, umschlang ein dünner Faden mein Bewusstsein. Als ob eine andere Macht von meiner Kraft profitieren wollte.
Durch Bavols Gedankenwirrwarr kehrte ich in meinen eigenen Körper zurück. Valek war verschwunden, und ein beißender Geruch stieg mir in die Nase. Ich stürzte zum Fenster.
Der Stall brannte lichterloh.
27. KAPITEL
K iki!“, schrie ich, während ich zum Stall rannte. Vor meinem inneren Auge sah ich sie gefangen in ihrer Box, umzingelt von einem Flammenmeer.
Eine Stimme rief meinen Namen.
Ein schwarzes Pferd stand auf der Weide.
Ein Fälscher aus Daviian ließ die Flammen höherschlagen. Heller. Heißer.
Ich achtete nicht darauf.
Die andere Macht in meinem Bewusstsein hatte die Kontrolle über mich gewonnen.
Ich erreichte den Stall und stürzte mich in das Feuer.
Die Hitze brannte mir ins Gesicht und versengte mir die Nasenschleimhäute. Flammen tanzten auf meinem Mantel und zerstörten das Gewebe. Die Sohlen meiner Stiefel schmolzen. Der Rauch stach mir in die Lungen. Meine Kehle war wie zugeschnürt.
Glühende Messer bohrten sich in meine Haut. Die obersten Schichten verglühten. Ich litt Höllenqualen. Kochendes Blut brodelte mir in den Ohren.
Die Schmerzen waren unerträglich, und die Farben meiner Welt verwandelten sich von gleißendem Weiß und stechendem Gelb zu Blutrot und Pechschwarz.
Staunend betrachtete ich meine Umgebung. In weiches graues Licht getaucht erstreckte sich eine tellerflache Welt meilenweit in alle Himmelsrichtungen. Zögernd ließ ich meinen Blick zurück zu meinem Körper wandern. Ich erwartete, eine verkohlte Leiche zu sehen, aber wie überrascht war ich, als ich keinerlei Wunden entdeckte. Ich hatte ein Gefühl von Schwerelosigkeit, und meine Arme und Beine waren ein wenig durchsichtig.
Hatte ich mich in einen Geist verwandelt? War ich in der Schattenwelt gelandet? Aber wo waren dann die anderen? All die Sandseeds, die mich erwarteten? Vielleicht waren sie nur ein Produkt von Mondmanns Fantasie.
Neben mir ertönte ein leises Lachen.
„Du siehst sie nicht, weil du dich dafür entschieden hast, sie nicht zu sehen“, hörte ich eine Stimme.
Eine Stimme, die ich mehr fürchtete als alles andere. Der Flammenmensch stand neben mir. Er hatte seinen Feuerumhang verloren und sah wie ein ganz normales Lebewesen aus. Breite Schultern, kurzes schwarzes Haar, so groß wie Mondmann. Seine Haut schimmerte wie schwarzer Marmor.
Er streckte seinen Arm aus. „Nur zu, fass ihn an. Es ist gar nicht schwer.“
Ich zögerte. „Du liest meine Gedanken?“
Wieder lachte er. „Nein. Ich lese die Frage in deinen Augen. Trotz deiner Angst bist du neugierig. Eine bewundernswerte Eigenschaft.“
Mit den Fingerspitzen strich der Flammenmensch über meinen Arm. Ich zuckte zurück.
„Solche Angst davor, verbrannt zu werden! Ich wusste, dass ich ein großes Feuer benötigte, um meine kleine Fledermaus anzulocken. Es war gar nicht so schlimm, nicht wahr?“
„Schlimm genug.“ Nun, da ich hier seine Gefangene war, verwandelte sich meine Furcht in Resignation.
Meine Antwort schien ihn zu entzücken. Er machte eine ausladende Handbewegung. „Also, was hältst du nun von meiner Feuerwelt? Ziemlich langweilig?“
„Ja. Ich dachte, sie wäre …“ Ich betrachtete die nichtssagende Ebene mit ihrer schwarzen Erde und dem roten Himmel.
„Heißer? Voll mit brennenden Seelen? Dass dich unser Folterer Reyad willkommen heißen und dir Vergewaltigung und Qualen für alle Zeiten androhen würde?“
„Voll mit brennenden Seelen“, beendete ich meinen Satz. Bei meiner ersten Bekanntschaft mit einem Flammenmeer hatte ich anderes gesehen.
„Das liegt daran, dass du in Mondmanns Gesellschaft warst. Im Gegensatz zu dir hat er sich dazu entschieden, diese unglücklichen Seelen sehen zu können. Sie
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