Yelena und die verlorenen Seelen - Snyder, M: Yelena und die verlorenen Seelen
kann.“
Ehe ich protestieren konnte, ging er hinaus.
„Was hat er gesagt?“, erkundigte Oran sich.
Ja, was eigentlich? Ein Angebot, sich an einer Schlange zu rächen – oder an etwas viel Beunruhigenderem. „Er wollte mir helfen“, antwortete ich.
„Nicht ohne unsere Erlaubnis.“ Oran richtete sich zu voller Größe auf. Er kam sich wohl sehr wichtig vor.
„Du kannst unsere Sippenmitglieder nicht als deine persönliche Armee missbrauchen. Es war falsch, Chestnut in eine unbekannte gefährliche Situation zu bringen, in der er ums Leben hätte kommen können.“
Ich hatte die Nase voll von Oran Cinchona Zaltana und baute mich vor ihm auf. „Hätte, ja, ist er aber nicht. Wenn wir auf eure Erlaubnis gewartet hätten, dann hättet ihr mit Sicherheit drei Clan-Mitglieder verloren. Und ich würde an eurer Stelle auch nicht zu lange darüber diskutieren, ob ihr euch auf die Suche nach einem möglichen Würmernest machen solltet, das sich irgendwo in eurem Dschungel befindet. Wenn ihr nämlich zu lange wartet, besteht die Gefahr, dass sie sich vermehren.“
„Wovon redest du?“, fragte Violet.
In diesem Moment kamen Perl und Esau herein. Meine Mutter fuhr sich mit der Hand an die Kehle, als sie meine Warnung hörte, und mein Vater schaute noch grimmiger drein.
„Vater, könntest du die Sippenältesten über die drohende Gefahr aufklären?“, bat ich ihn. „Ich muss mich um andere Dinge kümmern.“
„Wohin gehst du?“, wollte Perl wissen.
„Meine Freunde suchen.“
Ich fand Leif in der Wohnung unserer Eltern. Er lag auf dem Sofa und schlief tief und fest, und mir kam der Gedanke, dass ich überhaupt nicht wusste, ob er ein eigenes Zimmer in der Heimstatt der Zaltanas hatte. Esau hatte die Wand zu Leifs Zimmer durchbrochen, um seinen eigenen Arbeitsbereich zu vergrößern. Da ich meinen Bruder nicht aufwecken wollte, schlich ich mich auf Zehenspitzen an ihm vorbei in mein eigenes Zimmer. Die Sonne würde bald untergehen, und ich wollte mit den Fledermäusen fliegen.
Kaum lag ich auf meinem schmalen Bett, wurde ich unendlich müde. Mit dem Gedanken an Mondmann hielt ich mich wach. Er hatte mir und Leif geholfen, Stono zu heilen. Vielleicht hatte ihn das so sehr erschöpft, dass er nicht fähig war, auf meine Suche zu reagieren.
Das Licht wurde schwächer. Ich zupfte einen magischen Faden aus der Kraftquelle und schickte meinen Geist in den Dschungel. Sobald ich das gemeinsame Bewusstsein der Fledermäuse gefunden hatte, schloss ich mich ihrer nächtlichen Nahrungssuche an.
Während ich von einer Fledermaus zur nächsten schwebte, spürte ich den Raum unter mir und um mich herum. Auf der Suche nach Feuern oder Hinweisen auf Menschen trudelte ich durch die Luft und fühlte, wie die Sonne vom Himmel verschwand. Ich fragte mich, wie die Fledermäuse die Weite und die Beschaffenheit ihrer Umgebung erkannten, ohne sie sehen zu können. Ob ich das auch lernen konnte? Dank meiner Magie war ich in der Lage, Lebewesen zu erspüren, doch von den leblosen Objekten, auf die ich unterwegs stieß, merkte ich gar nichts.
Die Fledermäuse eroberten jeden Teil des Dschungels von Illiais. Er lag unterhalb des Daviian-Plateaus und war nicht besonders groß. Innerhalb von zwei Tagen konnte man bei entsprechendem Tempo von einem Ende zum anderen gelangen. Der Markt von Illias grenzte den Dschungel zum Westen hin ab. Einige der Fledermäuse schwebten in der Nähe der Lagerfeuer auf dem Marktplatz, aber sie mieden die verräucherte Luft und die lärmende Menge.
Ich zog mein Bewusstsein zurück. Im Urwald hatte ich keinerlei Hinweise auf Mondmann oder die anderen entdeckt. Deshalb beschloss ich, am nächsten Tag gemeinsam mit Leif zum Markt zu gehen. Es war der Treffpunkt, auf den wir uns auf dem Plateau geeinigt hatten. Wenn Mondmann den Würmern aus dem Dschungel gefolgt war, würde er irgendwann dort nach uns suchen. Das hoffte ich jedenfalls.
Als ich am nächsten Morgen die Augen aufschlug, hatten sich mehrere Menschen im Wohnzimmer versammelt, die aufgeregt miteinander schwatzten.
„Dieses Mal bist du an der Reihe. Ich habe letztens eine Wagenladung Pampelmusen geholt“, sagte Nutty zu Chestnut. „Hier.“ Zum Beweis hielt sie ihre rechte Hand hoch. „Ich habe noch überall Blasen.“
„Ich bin doch nicht blöd. Die hast du doch deshalb bekommen, weil du nächtelang die Kleider genäht hast, die du Fern schuldest“, blaffte Chestnut zurück. „Du bist dran, zum Markt zu gehen.“
„Du kannst nicht
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