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Yolo

Yolo

Titel: Yolo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisela Rudolf
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hier.«
    »Wäre und würde … Nun hör schon mit diesen Sätzen auf. Die Idee ist doch toll!«
    Sie klatscht in die Hände und ergänzt: »Und was dein
Absetzen
betrifft – lass uns erst mal starten, den Rest sehen wir dann!«
    Die Freude gibt Juttas Gesicht etwas Farbe, und der Übermut treibt sie dermaßen an, dass ich sie nur mit Mühe davon abhalten kann, sich ihrer Kleider zu entledigen und in den See zu springen.
    »Komm «, wiederholt sie, »wir schwimmen ans andere Ufer!«
    Als sie sich endlich neben mich ins Gras setzt, erzähle ich ihr von meinem befreienden Erlebnis mit Tibor.
    Überwältigt von der guten Nachricht, umarmt sie mich mit einer Vehemenz, die ich ihr nicht zugetraut hätte.
    Eine Weile schweigen wir. Bis Jutta meine Agenda entdeckt. Sie zieht sie aus meiner Hosentasche, schlägt das kleine rote Buch gleich auf, blättert ein paar Seiten um, schaut enttäuscht auf: »Da steht ja gar nichts drin. Ah, doch hier:
Fiele Fögel vliegen form Venster forbei
. Ganz schön schräg für ne Sprachlehrerin! Warte, ich schreibe auch etwas hin. Darf ich?«
    Sie klaubt den Stift aus der Halterung und beginnt zu kritzeln. »Schau, lies!«
    Zwei Fögel vliegen in die Vreiheit
.
    »Blättere noch einige Seiten weiter, dort steht etwas über die Liebe.«
    Weil Jutta nichts findet, zeige ich ihr die Stelle:
    Wir liebten uns
.
    Außer eines fragenden »und?« sagt sie nichts.
    »Dieser Satz hat zwei sehr verschiedene Aussagen. Es kann heißen, dass wir uns früher liebten, es kann aber auch heißen, dass wir uns erst lieben werden, eben wenn … Verstehst du?«
    »Nein.«
    Gedankenverloren kaut Jutta an einem Grashalm.

Jutta schreckt mich per Telefon vorzeitig auf. Sie plaudert drauflos, wirkt aufgeregt: »Beeile dich, sost müssen wir noch dieses morgendliche Krankenschwester-theater mitmachen!«
    Die Klinik will ich jedoch erst verlassen, wenn ich mich ordentlich abgemeldet habe. Das ist um sieben.
    An der Rezeption beginnt heute jene Angestellte ihren Dienst, die mich bei meiner Ankunft empfangen hat. An diesem frühen Morgen durchleuchtet mich der Röntgenblick der Dame bis auf den Grund meiner Seele, und die hält ihrer Selbstsicherheit nicht stand.
    »Nur bis spätestens Sonntagabend, der Arzt, Doktor Moeller, weiß Bescheid«, stammle ich.
    Sie benötigt meine Unterschrift.
    »Aber ja, selbstverständlich, gerne.«
    Ich bin die einzige, die hier lächelt. Jutta begegnet dem Misstrauen der Angestellten längst mit Ignoranz. Zuckt mit keiner Wimper, als sie das nötige Papier unterzeichnet.
    Jutta möchte sich von Anfang an ans Steuer setzen. Sie bettelt wie ein Kind. Meinen Bedenken ist das wenig zuträglich.
    Schon Stunden vor dem Aufbruch habe ich wach im Bett gelegen. Kann es richtig sein, eine Kur zu unterbrechen? Ich kenne diese Jutta, die in allem so ungefähr das Gegenteil von mir ist, kaum. Was für sie stimmt, muss noch lange nicht gut für mich sein. Gegenseitige Sympathie rechtfertigt doch solche Kapriolen nicht …
    »Du, wir sind verrückt.«
    »Klar«, erwidert sie belustigt, »sonst wären wir ja nicht in der Klapsmühle.«
    Sie hat den Sitz im Rücken leicht verstellt und fährt nun an. Stockend. Der Motor stirbt ab.
    »Kannst du überhaupt fahren?«
    »Aber sicher, ich muss mich bloß ein bisschen umgewöhnen, es ist ja nicht jeder Wagen gleich.«
    Nachdem Jutta uns aus dem Parkplatz manövriert hat, entspannt sich ihr Gesicht, ohne Umwege findet sie den Anschluss an die Autobahn.
    Mein Vertrauen in ihre Fahrkünste wächst. Wir beginnen zu plaudern.
    Jutta erinnert sich an unsere erste Begegnung im Park. Ihre seltsame Antwort auf meine Frage, wohin welcher Weg führe, hat sie indes vergessen.
    »Du sagtest doch, kein Weg führt irgendwo hin, jeder Weg führt nirgendwo hin!«
    »Das weißt du noch so genau?«
    »Ja, weil ich zuerst dachte, das sei kompletter Nonsens, und erst später …«
    »… hast du eingesehen, dass es stimmt.«
    »Nun, jeder Mensch steuert doch bewusst irgendwo hin.«
    »Du meinst, mir bliebe noch Zeit, über Genua hinaus etwas anzusteuern?«
    Ihre Direktheit macht mir Mühe.
    »Glaube mir, liebe Felizitas, es gibt nur ein unausweichliches Ziel, und daneben gibt es in unserem Leben wirklich kein Ziel im Sinne eines Ankommens. Das einzige sichere Ziel ist der Tod, und den strebt ja nun wirklich kein normaler Mensch an. Nimm dir ein Beispiel an mir: Meinst du etwa, weil ich verkrebst bin, sollte ich mich schon jetzt umbringen? You only live once!«
    »Lass uns mit

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