You are Mine
Bindungen wurden zu schnell abgeschnitten und ausnahmsweise stehe ich der Freiheit, der Eremitenhöhle, die sich bedrohlich vor mir öffnet, skeptisch gegenüber. Vielleicht werde ich alt, vielleicht habe ich Angst.
Auf jeden Fall schüttelt Kate den Kopf. »Ich glaube nicht, dass das eine gute Idee ist. Ich meine, Madigan ist das Einzige, was uns verbindet, oder?«
»Wahrscheinlich.«
Sie leidet so sehr, dieses schöne kleine Mädchen, und es gibt nicht das Geringste, das ich dagegen tun kann. Es ist eine beschissene Erkenntnis. Ich versuche, sie zum Abschied wenigstens zu umarmen, aber jetzt besteht sie nur noch aus Ellbogen und Kanten und dem Geruch von ungewaschenem Haar. Ihre dünnen Arme legen sich widerwillig für einen kurzen Moment um mich, dann lässt sie sie wieder fallen. Die Umarmung war offensichtlich ein Fehler. Wir lösen uns voneinander und waten durch das drückende, unangenehme Schweigen zur Eingangstür. Es ist jetzt dunkel und ich biete ihr an, sie nach Hause zu fahren oder zumindest ein Taxi zu bezahlen, aber sie besteht darauf, dass es in Ordnung ist, weil der Bahnhof nicht weit entfernt ist und sie gerne läuft, sogar nachts.
Sie sieht zum Mond auf, eine silberne Sichel, die durch die Wolken dringt. »Besonders nachts.«
»Hey, Kate?« Plötzlich kommt mir ein Gedanke. »Weißt du irgendwas über diesen Serge-Kerl? Hat Madigan je über ihn gesprochen, vielleicht darüber, was sie miteinander machen, irgendwas in der Art?«
Kate wirkt, als hätte jemand gerade ihre Katze getreten – als hätte jemand sie mit einem Prügel blutig geschlagen – und ich will die Worte sofort zurücknehmen. Wie dumm, nicht zu erkennen, dass sie sich genauso betrogen fühlen muss wie ich. Dass sie genauso aus heiterem Himmel fallen gelassen wurde wie die anderen Marionetten, wie ich, sobald die fette Kröte auf den Plan getreten war.
»Sie hat nie etwas gesagt«, antwortet Kate. »Aber er war heute da, in der Kirche. Hat dich die ganze Zeit angestarrt.« Sie schüttelt sich leicht und reibt sich die Oberarme. »Es war unheimlich. Ich bin froh, dass ich ihn nie wiedersehen muss.«
Ich frage mich, ob sie dasselbe wohl über mich denkt, während ich beobachte, wie ihre Haare lang und silbern hinter ihrem Rücken wogen, als sie davongeht. Unter den Straßenlaternen scheint es fast zu leuchten. An der Ecke biegt sie ab, hält nicht einmal an, schaut nicht zurück.
Sie geht einfach weg. Ich wollte, ich könnte das auch.
Auf dem Küchentisch wartet mein Glas ungeduldig darauf, gefüllt zu werden, aber erst hole ich Madigans Brief aus meiner Tasche. Noch eine letzte Dosis Masochismus, ein letztes Martyrium durchzustehen, bevor ich den Deckel über dieser kranken Geschichte zuschlage – ihn zuschlage und das Buch verbrenne –, und der Zeitpunkt ist jetzt genauso gut wie irgendwann später.
Mein Lexi, ein paar Worte, um dir all das zu erklären. Das ist das Mindeste, das ich dir schulde, nehme ich an.
Kein Melodrama, kein wenn du das liest -Mist, nur eine ruhige, saubere Handschrift, gut formulierte, knappe Sätze. Es ist schwer zu glauben, dass er von jemandem geschrieben wurde, der sich wenige Tage später umgebracht hat.
Ich kann mich nicht genug entschuldigen für alles, was ich dir angetan habe, dafür, dass ich dich so verlassen habe, wie ich es getan habe, aber du musst mir einfach glauben, dass es absolut nötig war. Es musste getan werden und ich hoffe, du wirst es eines Tages verstehen. Ich glaube, das wirst du. Besonders möchte ich mich für das Baby entschuldigen. Dir nichts davon zu erzählen war das Schwerste, was ich je tun musste, aber ich möchte, dass du verstehst, dass ich diese Entscheidung nicht leichtfertig getroffen habe. Keine meiner Entscheidungen wurde leichtfertig getroffen. Ich liebe dich, egal was kommt, ich habe dich immer geliebt und alles, was ich getan habe, war für dich, für uns. Du wirst es verstehen, Lexi, ich verspreche es dir.
Dann ihr Name, eine kunstvolle Unterschrift mit geschwungenen Kurven, und drei Küsse. Die Tinte verschwimmt, weil mir ungewollte Tränen in die Augen steigen, und ich muss sie wegwischen, um das Postskript zu lesen.
Falls Serge kommt, um herumzuschnüffeln, sag ihm, er soll sich verpissen. Er wird nicht mehr gebraucht, und das kannst du ihm von mir ausrichten.
Der Brief ist bizarr, überhaupt nicht wie ein Abschiedsbrief, und ich kann nicht anders, als mich zu fragen, ob sie wirklich vorhatte, sich umzubringen. Ob es nicht nur ein
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