You are not alone - Mein Bruder Michael Jackson (German Edition)
nie was anderes getan, als Songs zu schreiben.“
„Sie waren weicher als Mutters Hände!“, staunte Michael.
Als wir wieder zu Hause in Gary waren, war das auch prompt das Erste, was wir Mutter berichteten. „Mutter! Wir haben Smokey Robinson getroffen, und du glaubst nicht, was der für weiche Hände hat!“
Als wir schließlich auch Jackie Wilson kennenlernen durften, erreichten wir damit die nächste VIP-Ebene: Er lud uns nämlich in seine heilige Garderobe ein. Sie war deswegen „heilig“, weil er für uns der schwarze Elvis war, bevor der weiße ins Rampenlicht getreten war – einer der großen Entertainer, wie es sie in jeder Generation nur einmal gibt. Jackie und seine Revue traten regelmäßig im Regal Theater auf, und den ganzen Tag über redeten wir von nichts anderem, als dass wir ihn abends zu Gesicht bekommen würden. Joseph sprach mit ein paar Leuten und setzte alle Hebel in Bewegung, damit es tatsächlich klappte: „Okay! Aber nur fünf Minuten!“ Dieses Privileg hatten wir sicherlich wie so oft dem Umstand zu verdanken, dass wir noch so jung und niedlich waren. Und das muss ich unserem Vater wirklich lassen: er wusste, wie man Türen öffnete.
Wie bei Jackie Wilson. Wir traten im Gänsemarsch aus dem dunklen Korridor in das helle Licht der Glühbirnen rund um den Garderobenspiegel, vor dem Jackie saß. Er hatte uns den Rücken zugewandt, um seinen Hals lag ein zusammengerolltes Handtuch, damit sein weißes Hemd keine Flecken von der Schminke und dem Eyeliner bekam, die er selbst auflegte.
Es war Michael, der zuerst den Mund aufmachte und sehr höflich darum bat, einige Fragen stellen zu dürfen.
„Sicher, Kleiner, immer raus damit“, sagte Jackie zu unseren Spiegelbildern, die er vor sich sah.
Und nun bombardierte Michael ihn mit Fragen. Wie fühlt sich das an, wenn Sie auf die Bühne gehen? Wie oft proben Sie? Wie alt waren Sie, als Sie angefangen haben? Mein Bruder war in seinem Wissensdurst nicht zu stoppen.
Aber es war Joseph, der anschließend mit der interessantesten Information dieses Abends aufwarten konnte: Er berichtete uns, dass einige von Jackie Wilsons Songs tatsächlich von niemand Geringerem als Mr. Gordy, dem Gründer des Motown-Labels, geschrieben worden seien. („Lonely Teardrops“ war Gordys erster Nummer-1-Hit gewesen.)
Nach diesen Treffen war für uns klar: Wir wollten die gleiche Stufe erreichen wie Smokey Robinson und Jackie Wilson. Vielleicht war es das, was Joseph insgeheim beabsichtigt hatte: Indem er uns den Königen vorstellte, bekamen wir selbst Lust zu herrschen. Es war beinahe, als wollte er uns sagen: „Hier könnt ihr auch stehen – aber ihr müsst daran arbeiten.“
Ich wünschte, ich könnte mich an die Showbiz-Weisheiten erinnern, die diese großen Männer mit uns teilten, denn jeder von ihnen hatte gute Ratschläge für uns parat, aber diese Worte sind in meiner Erinnerung längst verblasst. Michael hortete diese kleinen Perlen und prägte sich alle Einzelheiten genau ein. Er wollte stets wissen, wie unsere Vorbilder sprachen, sich bewegten, was sie sagten, ja sogar, wie sich ihre Haut anfühlte und wie sie aussah. Wenn die großen Stars auf der Bühne standen, beobachtete er sie mit dem Scharfblick eines jungen Regisseurs, ganz und gar auf Smokeys Texte oder auf Jackies Füße konzentriert. Später dann, wenn wir mit dem Bus nach Hause fuhren, war er stets von uns allen am muntersten und lautesten: „Habt ihr gehört, wie er gesagt hat …“ – „Ist euch aufgefallen, dass …“ – „Habt ihr gesehen, wie Jackie sich an dieser Stelle bewegt hat …“ Mein Bruder war ein Meister darin, andere zu studieren, und ihm entging nie etwas. Auch die kleinsten Details legte er in einem Ordner in seinem Kopf ab, auf dem vermutlich „Größte Einflüsse und Inspirationen“ stand.
Inzwischen verdienten wir um die 500 Dollar pro Show. Unser Vater drillte uns härter denn je und erwartete äußerste Präzision. „Wir haben das doch schon x-mal geprobt. Wieso vergesst ihr dauernd, was ihr tun müsst?“, brüllte er, wenn ein Song oder eine Tanzeinlage nicht klappen wollte. James Brown, so sagte er uns immer wieder, pflegte seinen Famous Flames ein Strafgeld aufzubrummen, wenn jemand patzte.
Joseph verhängte natürlich keine Strafgelder. Schläge waren eher sein Stil. Marlon traf es am härtesten, weil er als das schwächste Glied in unserer Kette galt. Es stimmt, dass seine Koordination nicht so gut war wie die von uns anderen, und er
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