You are not alone - Mein Bruder Michael Jackson (German Edition)
angenehm, wie durch ein Dornengebüsch zu laufen. Saßen wir dann endlich im Auto, konnten wir durch die Fenster nichts mehr sehen, weil die dicht aneinandergedrängten Menschen den Blick nach draußen blockierten und kein Licht mehr ins Wageninnere fiel. Wenn dann die Limousine auch noch zu schaukeln begann, war das ein ganz beklemmendes Gefühl. Wir versuchten einmal, die Lage zu beruhigen, indem wir ein Fenster ein wenig herunterkurbelten, um ein Autogramm hinauszureichen: Zehn Hände grabschten nach dem Papier und rissen es wie Piranhas in Stücke. Bill Bray brüllte: „Macht das ja nie wieder! Die reißen euch die Arme ab!“
Offenbar war ihm nicht klar, dass wir schon wussten, wie sich das anfühlte, denn wenn wir uns den Weg durch eine größere Menge bahnen mussten, sei es vor Konzerthallen oder auf Flughäfen oder wenn wir sonst irgendwo unterwegs waren, dann bekamen wir jedes Mal allerlei Knüffe ab. Alle rissen an unseren Armen, Händen, Schultern, berührten unsere Gesichter, Köpfe und Haare. Für mich gab es nur einen Weg, solche Situationen zu überstehen; ich bewegte mich mit langen Sprüngen vorwärts, weil das Auf und Ab verhinderte, dass man mich packen und festhalten konnte. Michael hingegen duckte sich und schützte sein Gesicht mit den Händen, um sich dann im Schleichgang voranzuarbeiten.
Wenn wir dann wieder sicher im Hotel angekommen waren, verglichen wir als Erstes unsere Kratzer und Blessuren, die schließlich zu Souvenirs der verschiedenen Städte wurden, während unsere Garderobiere den Schaden in Augenschein nahm, den unsere Kleidung genommen hatte. Die Fans wollten uns ja nicht wehtun, das wussten wir, aber trotzdem mussten wir uns solche Geschehnisse von der Seele reden, um irgendwie damit fertigzuwerden – besonders mit den beängstigenden Momenten, wenn die Mädchen einfach so auf die Bühne stürmten.
Michael: „Habt ihr mitbekommen, wie die sich auf mich gestürzt hat? Ich hatte sie gar nicht kommen sehen!“
Tito: „Und ich dachte noch, verdammt, jetzt sollte er besser abhauen.“
Michael: „Und hast du gesehen, was sie dann gemacht hat? Mich geküsst und geküsst, die klebte richtig an mir!“
Ich: „Und dann hat sie sich auch so zusammensacken lassen, um sich richtig schwer zu machen.“ Ich machte nach, wie die Mädchen sich immer tot stellten, und wir alle lachten uns kaputt.
Das Management war stets um unsere Sicherheit bemüht, und eines Tages kam unser Team auf eine geniale Idee: Wir sollten einen VW als Fluchtfahrzeug benutzen, während die Fans der leeren Limousine hinterherliefen. Das probierten wir gleich aus. Unglücklicherweise hatte der Schlaukopf, der den Volkswagen bestellte, nicht genug Platz für sieben Jungs, Joseph und Billy Bray einkalkuliert. Uns blieb keine Wahl, und wir hatten auch keine Zeit – also quetschten wir uns irgendwie rein. Überall schoben sich Beine und Füße bis unters Dach, stemmten sich gegen die Fenster und gegeneinander, aber wir schafften es, heil von der Halle wegzukommen. Und das war damals alles, was zählte.
Aber auch die Fans versuchten, uns zu überlisten, indem sie uns in einem unbewachten Moment abpassten. Dass sie auf die Bühne stürmten, das erwarteten wir mittlerweile, und darauf waren wir vorbereitet. Doch nun stürmten sie auch Flugzeuge. Das geschah das erste Mal in Detroit 1971. Nach der Landung rollte unser Flieger noch auf seine Position, als Jackie aus dem Fenster sah und brüllte: „Sie kommen!“ Damals waren die Sicherheitsbestimmungen auf den Flughäfen ungefähr so streng wie auf einem Supermarktparkplatz, und so hatte eine Rotte von Fans einen Polizeikordon durchbrochen und stürmte nun auf uns zu. Nun konnten wir nicht mehr darauf warten, dass die Treppe ans Flugzeug geschoben wurde: Die Stewardessen öffneten die Türen, und wir sprangen auf den Boden, hechteten in die bereitstehende Limousine und konnten den Mädchen gerade noch entkommen.
Andere Fans wiederum warteten in ihren Autos an den Ausfahrten der Flughäfen, und Mädchen folgten uns bis zu unseren Hotels; einige versteckten sich im Gebüsch auf dem Hotelgelände, um später als Gäste getarnt ins Gebäude vorzudringen. Sie folgten uns zu Soundchecks und in Einkaufszentren, und wenn wir es wagten, in den Städten, die wir besuchten, einmal bummeln zu gehen, dann begann sofort die große Jagd, und Chaos brach aus. Und wenn eine Ladentheke oder ein Regal im Weg war, walzten die Fans es in ihrem Bemühen, in unsere Nähe zu kommen,
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