Young Sherlock Holmes 2
zu, die etwas größer als ein Gartenhäuschen waren und sich ein wenig abseits des Schienenstranges befanden. Sherlocks Vermutung nach mussten das die Toiletten sein. Oder wahrscheinlich eher bloß Löcher im Boden, die zum Schutz der Intimsphäre abgeschirmt worden waren.
Ives schob Matty in eines der Toilettenhäuschen und schloss die Tür. Dann blieb er einen Moment lang davor stehen, ehe er das Gesicht zu einer Grimasse verzog und, Nase und Mund mit der Hand bedeckend, das Weite suchte. Offensichtlich hatte ihn der Toilettengestank vertrieben.
Sherlock rannte zur Rückseite der Holzhäuschen und zählte sie im Laufen ab, bis er dasjenige erreicht hatte, in dem seiner Meinung nach Matty stecken musste. Wie sich herausstellte, war dort das Holz in Bodenhöhe fast völlig verrottet. Und Ives hatte recht gehabt: Der Gestank war ekelerregend.
»Matty!«, zischte er durch die Spalten im Holz hindurch.
»Sherlock!«, hörte er Mattys Stimme. »Ich hab dich und Virginia im Zug gesehen!«
»Haben sie uns etwa auch gesehen?«
»Nein. Dann hätten sie was gesagt.«
»Stimmt.« Sherlock machte sich probehalber am verrottenden Holz zu schaffen. »Hilf mir, ein Loch zu machen.«
Während Sherlock an den Brettern zog und zerrte, und Matty von innen dagegen trat und drückte, gelang es ihnen schließlich, so viele Holzstücke herauszubrechen, dass ein Loch entstand, durch welches Matty hindurchpassen würde. Rasch ergriff Sherlock Mattys Hand und half ihm hinaus. Einen Moment später standen die beiden draußen hinter dem Häuschen.
»Alles in Ordnung?«, fragte Sherlock außer Atem.
»Geht schon wieder.« Matty machte ein finsteres Gesicht. »Auf dem Schiff hatte ich ganz schön Angst, aber sie haben mich ganz gut behandelt und mir auch was zu essen gegeben. Und außerdem wusste ich, dass ihr kommen würdet, um mich zu retten.«
»Lass uns abhauen.«
Sie schlichen sich an der Rückseite der Toilettenhäuschen entlang, und als sie das letzte erreicht hatten, lugte Sherlock vorsichtig um die Ecke. Ives wartete immer noch in einiger Entfernung.
»Wo ist Virginia?«, fragte Matty.
»Sie besorgt was zu essen.«
»Und was ist mit Mr Crowe?«
»Der ist noch in New York«, gestand Sherlock.
»Wie kommt das denn?«
Sherlock schüttelte den Kopf. »Durch eine ganze Reihe von Umständen, die alle zur gleichen Zeit zusammengekommen sind. War nicht Teil des Plans.«
Ives hielt sich immer noch die Nase zu und entfernte sich noch etwas weiter. Als er ihnen den Rücken zuwandte, packte Sherlock Matty am Arm. »Los jetzt!«
Sie rannten über die freie Fläche zudem einfachen Schindelbau hinüber, in dem sich der Fahrkartenschalter und der Warteraum befanden. Sherlock führte Matty um die Gebäudeecke herum, so dass sie sich nicht mehr im Blickfeld von Ives befanden, falls er sich umdrehen würde. Dort stand Virginia und wartete mit zwei Papiertüten mit etwas zu essen in der Hand. Als sie die beiden sah, drückte sie Sherlock die Papiertüten in die Hand und umarmte Matty herzlich.
»Ich bin so froh, dich wiederzusehen!«, sagte sie.
Matty erwiderte die Umarmung. »Ich auch«, sagte er offensichtlich tief bewegt.
Sherlock warf einen Blick um die Ecke. Die Menge begann sich zu lichten. Die Leute, die nur nach Perseverance wollten und ausgestiegen waren, hatten sich mittlerweile zerstreut, und diejenigen, die ihre Reise hier begannen, hatten bereits die Waggons bestiegen. Nur ein paar Reisende, die den Zug verlassen hatten, um sich die Beine zu vertreten oder sich etwas zu essen zu besorgen, waren noch übrig geblieben. Der Schaffner stand neben den Waggons, blickte in beiden Richtungen den Bahnsteig entlang und warf einen prüfenden Blick auf seine Taschenuhr. An der Lokomotive war der Lokführer gerade dabei, Wasser aus einem Tank nachzufüllen, der direkt neben den Gleisen auf einer hohen Holzpfeilerkonstruktion montiert war.
»Jetzt müssen wir nur noch warten, bis der Zug abfährt«, sagte Sherlock. »Dann nehmen wir einfach den nächsten zurück nach New York.«
»So einfach wird das nicht«, warnte Virginia.
»Warum nicht?«
Sie wies zu den Toilettenhäuschen zurück. »Sieh selbst!«
Berle und Ives standen dort beisammen. Ives erklärte offenkundig gerade irgendetwas, während Berle ziemlich wütend dreinblickte.
»Sie haben gemerkt, dass Matty verschwunden ist«, sagte Sherlock. »Sie werden sich gleich auf die Suche machen.«
Er hatte recht. Berle und Ives trennten sich und eilten in verschiedenen
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