Ysobel – Das Herz aus Diamant
wird, wie ich es befohlen habe. Bittet den Himmel um Gnade, nicht mich!«
Volberte sah sich um, als prüfe sie die Möglichkeit einer Flucht, aber der Herzog hatte an alles gedacht. Bewaffnete traten von beiden Seiten auf sie zu. Jammernd sammelten sich die anderen Frauen um ihre gedemütigte Sprecherin und stolperten aus der großen Halle, die inzwischen von den Spuren der Kämpfe und der kurzfristigen Besatzung gesäubert worden war.
Am großen Tisch blieben Jean de Montfort und Jos de Comper zurück.
»Ich danke Euch.« Der junge Ritter neigte den Kopf. »Ihr habt der Gerechtigkeit zum Sieg verholfen.«
»Ihr hättet dieses Urteil nicht erst von mir erbitten müssen«, sagte der Herzog. »Ich hätte es ohnehin gefällt. Ich schulde Euch mehr als diese Selbstverständlichkeit, Messire de Comper!«
Da war die Gelegenheit, auf die er seit Jahren wartete, für die er gekämpft und gearbeitet hatte. Die Chance auf ein eigenes Lehen, ein unbescholtenes Wappen und eine Zukunft in Ehren. Dennoch schüttelte er den Kopf. Was war ihm das alles noch wert? Sein Traum von gestern kam ihm sinnlos und unwichtig vor.
»Ihr schuldet mir nichts«, sagte er knapp. »Erlaubt, dass ich gehe. Meine Aufgabe ist getan.«
»Ich erwarte, Euch bei Hof in Rennes zu sehen«, fügte der Herzog nach einem zögernden Nicken hinzu.
»Was gibt es noch zu tun?«
»Den Frieden zu feiern!«
Jos gab in einer stummen Reverenz eine Antwort, die ebenso gut Zustimmung wie Verneinung sein konnte. Dann verließ er mit langen Schritten die Halle. Der Herzog wandte sich zu Raoul de Nadier um, der dem Gespräch in stummem Grimm gefolgt war. »Könnt Ihr mir sagen, wie man diesen Dickschädel davon überzeugen kann, dass er gegen seine eigenen Interessen handelt?«
»Leider nicht, Euer Gnaden. Er hat sich verändert. Er vertraut sich nicht einmal mehr seinen Freunden an!«
Jean de Montfort gab einen ungeduldigen Laut von sich. »Kümmert Euch um ihn. Ich möchte nicht, dass er aus falsch verstandenem Edelmut eine Dummheit begeht. Es war schließlich nicht sein Fehler, dass Dame Ysobel über die Zinnen gestürzt ist. Man könnte meinen, er will sich dafür bestrafen ...«
Raoul de Nadier schwieg. Er dachte nicht daran, dem Herzog eine Erklärung für Jos’ Verhalten zu liefern. Besser, er hielt ihn für zu ehrenwert als für blind verliebt. Es änderte ohnehin nichts an den Tatsachen.
23. Kapitel
Er ist fort?«
Ysobel fuhr herum und sah Jeanne an, als könne sie die Jungfer bei einer Lüge ertappen. Die kleine Spülmagd, die nun ein ordentliches dunkelbraunes Wollkleid trug, über dem eine blütenweiße Schürze leuchtete, und auf den hochgesteckten mausbraunen Haaren ein steifes, adrett gefaltetes Leinenhäubchen, nickte erneut.
»Das kann nicht sein!«, flüsterte Ysobel und fügte verzweifelt hinzu: »Das darf nicht sein!«
Jeanne zog eine Grimasse. »Ich dachte nur, dass es Euch nicht gefällt. Er ist mit dem Seigneur de Nadier bei Sonnenaufgang davongeritten. Niemand weiß etwas über sein Ziel. Ich hab’s sowohl bei den Bogenschützen wie bei den Pagen des Herzogs versucht.«
»Wie kann er das tun?« Ysobel rang die Hände. »Wie kann er mich im Stich lassen?«
Jeanne wusste keine Antwort. Auch seine Gnaden der Herzog hob ratlos die Achseln, als Ysobel ihm vorwurfsvoll dieselbe Frage stellte.
»Joseph de Comper ist ein freier Ritter und nicht mein Diener, Dame Ysobel. Der Krieg ist Gott sei Dank vorbei, und es bestand kein Grund, ihm den Urlaub zu verweigern, um den er mich gebeten hatte.«
Ysobel zog die Unterlippe zwischen die Zähne. Jean de Montfort fand ihre Ungezwungenheit entzückend, aber eine innere Stimme sagte ihm, dass sie keine Komplimente hören wollte. »Ihr werdet den Seigneur sicher bei Hofe treffen, wenn Ihr uns dort die Ehre gebt«, versuchte er sie zu trösten, aber es sah aus, als höre sie ihm nicht zu.
Er hatte recht damit, denn Ysobel begriff einfach nicht, was in Jos’ Kopf vorging. Nur zu gut erinnerte sie sich an den berauschenden Moment ihres zweiten Erwachens, in dem ihr klar geworden war, dass sich alles zum Guten gewendet hatte. Dass ihr die Ereignisse einen Namen und eine leidlich intakte Ehre geschenkt hatten. Dass nun vielleicht ein Ritter die Ehe mit ihr in Betracht ziehen konnte, auch wenn ihr Ruf nicht makellos war.
»Niemand wird Euch jemals im Stich lassen«, erwiderte der Herzog in diesem Moment. »Ich habe meinen Waffenmeister angewiesen, eine tüchtige Besatzung für diese Burg
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