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Ysobel – Das Herz aus Diamant

Ysobel – Das Herz aus Diamant

Titel: Ysobel – Das Herz aus Diamant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Cordonnier
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meinte er, während er sie zu einer Stelle zog, wo sich der feine, weiche Sand zu einer Kuhle vertiefte, über die er einen schäbigen Wetterumhang warf, den er hinter einem Stein hervorzog.
    »Wie hast du diesen Platz gefunden?«, erkundigte sie sich erstaunt und entsann sich, dass sie ihn das erste Mal unweit dieser Höhle getroffen hatte.
    »Das haute mer hat mir den Weg gewiesen«, sagte er mit einem Achselzucken. »An manchen Tagen steigt die Flut so sehr, dass der Weg zurück zum Klippenpfad blockiert ist. Ich hatte keine Lust, aufs Geratewohl hinaufzuklettern, und so entschloss ich mich, einen geschützten Platz zu suchen, wo ich in Ruhe die Ebbe abwarten konnte. Seitdem habe ich immer einen Umhang und ein paar Vorräte hier. Für alle Fälle. Komm, setz dich, du wirst sehen, nicht einmal der Wind erreicht uns in dieser Ecke ...«
    Ysobel ließ sich auf das provisorische Lager nieder und zog die bloßen, kalten Füße unter die Falten des Rockes. Die Hände mit der Möwe locker im Schoß verschränkt, sah sie ihn fragend an. Im Dämmerschein der letzten Lichtstrahlen vom Strand glich ihr Antlitz dem Oval einer vollendet geschnitzten Gemme. Sie war von einer so zeitlosen, anrührenden Schönheit, dass Jos sie nur staunend ansehen konnte.
    Dass ausgerechnet eine junge Frau wie sie unbeschadet in der Burg lebte und arbeitete, brachte das ganze kunstvolle Gebäude seiner Vermutungen und Verdächtigungen ins Wanken. Verfolgte er vielleicht doch die falsche Spur?

5. Kapitel
    Ich wünschte, es gäbe einen Weg, dieses Frauenzimmer loszuwerden«, zischte die wütende Baronin von Locronan. »Sie macht mich rasend. Was habe ich getan, um mit dem ständigen Anblick dieser Dirne in meinem eigenen Hause gestraft zu werden?«
    Sie betrachtete sich in der polierten Silberscheibe eines kostbaren Spiegels, dessen Rand mit Perlenranken verziert war. Nicht besonders zufrieden mit dem Bild, das sie dort widergespiegelt fand, knallte sie das Juwel zwischen die Tiegel und Kästchen auf dem geschnitzten Toilettentisch und runzelte die Stirn. Dabei schnitt der ziselierte goldene Reif, der ihren rosagefärbten Schleier auf den hochgesteckten Haaren hielt, tiefer in die Haut ein, und sie riss ihn ungeduldig herunter.
    »Ihr wisst sehr wohl, dass es eine Möglichkeit gibt, sie auf Nimmerwiedersehen verschwinden zu lassen, Kindchen«, bemerkte Dame Volberte mit der Vertraulichkeit der alten Kinderfrau und bückte sich ächzend nach dem verschmähten Schmuckstück. »Sie ist schon ein wenig alt, aber wenn man sie ein wenig herrichtet, kann sie durchaus noch einen guten Preis erzielen ...«
    »Volberte, du bist verrückt!« Dame Thilda zog die perlenbesetzten Nadeln aus ihren festgesteckten Flechten. »Das kann ich nicht machen. Gratien ist ein Schlappschwanz, aber nicht einmal er wird es tatenlos hinnehmen, wenn seine Schwester einfach verschwindet ... Habe ich dir nicht erzählt, was heute geschehen ist? Ich kann von Glück sagen, dass er nicht aller Welt reuevoll verkündet hat, dass das Weibsstück seine ehrenwerte Schwester ist und mit Respekt behandelt werden muss.«
    »Nun, man müsste eben Mittel und Wege finden, die brüderliche Sorge des Seigneurs zu beruhigen«, entgegnete Dame Volberte ölig. »Männer sind meist höchst leichtgläubig und froh, wenn man ihnen eine passende Erklärung liefert, meine Dame.«
    Die Baronin begann eine nervöse Wanderung durch die prächtig ausgestattete Kemenate. Sie nahm weder die leuchtendbunten Wandteppiche, die zahllosen Silberstücke auf dem Kaminsims und in den Schauschränken, die Samtbehänge des Alkovens oder die üppigen Seidenpolster der Taburetts wahr, die ihr sonst soviel Vergnügen bereiteten. Von ihrer alten Kinderfrau in Versuchung geführt, umkreiste sie die teuflische Idee wie ein Raubtier seine ahnungslose Beute.
    Nicht dass sie Skrupel gehabt hätte, es ging ihr eher darum, die Angelegenheit möglichst dezent zu handhaben und jeden Verdacht von sich zu weisen. Sie hatte es darin bis zum heutigen Tage zur wahren Meisterschaft gebracht, und sie dachte nicht daran, ausgerechnet in diesem besonderen Falle ein Risiko einzugehen.
    »Tatsache ist, dass das Mädchen die letzten zwölf Jahre im Kloster verbracht hat«, sagte Volberte. »Nicht einmal ihr Bruder wird sich groß wundern, wenn sie ihm mitteilt, dass sie die fromme Einkehr des klösterlichen Lebens vermisst. Er wird sich gratulieren, dass sie für ihn betet.«
    »Das Miststück springt eher vom Turm, als Gratien so etwas zu

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