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Ysobel – Das Herz aus Diamant

Ysobel – Das Herz aus Diamant

Titel: Ysobel – Das Herz aus Diamant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Cordonnier
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einen neidvollen Seufzer. »Ich wünschte, ich wäre ebenfalls ein Mann und könnte auch so sprechen.«
    »Das wäre ein wahres Verbrechen!« Jos grinste, und sogar einem so ahnungslosen Wesen wie Ysobel war klar, in welchem Sinne er das meinte. »Ich finde, der Himmel hat einen besonders guten Tag gehabt, als du das Licht der Welt erblickt hast!«
    Sie spürte, dass ihr die Röte in die Wangen stieg, und wandte ihm instinktiv den Rücken zu. Sie wollte nicht, dass er in ihrem Gesicht etwas las, was sie um jeden Preis geheim halten wollte. Aber sie ahnte nicht, welch entzückendes Bild sie so bot. Ihr Zopf hing über ihren Rücken. Wie mochte es sein, wenn diese Fülle leuchtenden Haares offen über seidenweiche, durchsichtige Haut glitt? Wenn die Eleganz der geschmeidigen Gestalt nicht länger durch den billigen Plunder eines Gewands beleidigt wurde, das wahrhaftig nicht zu ihr passte?
    Welches blindwütige Schicksal hatte ein solches Mädchen unter die Ärmsten des Volkes geworfen? Nirgendwo in der Bretagne gab es eine Frau, die schöner und edler als sie gewesen wäre! Und wenn er sich bisher gegen jene Krankheit gefeit geglaubt hatte, die aus Männern Narren machte, so musste er nun der Wahrheit ins Auge sehen. Er begehrte sie! So sehr, dass er kaum noch an etwas anderes zu denken vermochte! Ein höchst gefährlicher Zustand in seiner Lage. Je eher er ihm ein Ende machte, um so größere Chancen hatte er, dass sein Kopf bis zum Ende dieses Abenteuers auf den Schultern blieb.
    Ysobel hatte keine Ahnung von seinen Gedanken, aber ihre Sinne spürten den Aufruhr, den Jos so mühsam unter Kontrolle hielt. Ihr Herzschlag stockte, und unwillkürlich hielt sie den Atem an. Ein Seufzer löste sich von ihren Lippen, als sie seine Hände auf ihren Schultern spürte und er sie herumdrehte und zwang, seinem Blick standzuhalten.
    Jos las angespannte Wachsamkeit in den goldenen Tiefen ihrer Augen. Dahinter jedoch entdeckte er eine höchst befremdliche Mischung aus Traurigkeit und Hoffnungslosigkeit. Eine Ergebenheit in ihr Schicksal, die ihn nicht nur reizte, sondern geradezu verärgerte. Es kam ihm vor, als habe sie zwischen sich und den anderen Menschen eine Mauer errichtet, die sie für unüberwindbar hielt.
    »Wer hat dir so weh getan, schöne Ysobel?«, murmelte er sanft. »Piesackt dich dieser Drachen in der Burg? Man sollte die Weiber dort an den Pranger stellen.«
    Ysobel schüttelte den Kopf, fand sich aber unfähig, den Bann zwischen ihnen zu brechen. »Dame Volberte ist unwichtig!«
    »Wenn sie nicht der Grund für deinen Kummer ist, was ist dann geschehen, dass du das Lachen verlernt hast?«
    Ysobel senkte die Lider, aber es half nichts. Jos ließ sich nicht aussperren, wie sie es mit allen anderen Menschen tun konnte. Sie spürte den Griff seiner Hände, die Geschmeidigkeit seiner Gestalt und den Hauch seines Atems auf ihrer Haut. Das alles unterhöhlte ihre Kraft, machte sie hilflos und schwach. Aber gleichzeitig hatte sie das Gefühl, als schenkte er ihr durch seine Berührung eine merkwürdige Energie, Stärke, an der sie sich aufrichten konnte.
    »Du sprichst nur, wenn es um andere geht«, murmelte Jos. »Wenn es um dich selbst geht, bist du verschlossen wie eine Auster. Aber Austern bergen Perlen, hast du das gewusst? Wenn es gelingt, die richtige zu finden, kann ein armer Fischer mit einem Schlag reich werden. Welche Perle versteckst du?«
    Ysobel bebte. Es schien ihr, als dringe jedes seiner Worte bis in ihr Herz. »Für einen einfachen Fischer kannst du gut mit Worten umgehen ...«, hauchte sie.
    Über Jos Antlitz huschte ein Schatten. Aber vielleicht war es auch nur der Reflex einer Wolke, welche der Wind vorbeitrieb.
    »Ich kann noch mehr, als nur mit Worten um mich werfen«, erwiderte er dann mit einem Lachen und beugte sich über Ysobels bebende, erwartungsvolle Lippen.
    Ja, sie hatte auf diesen Kuss gewartet, vom ersten Moment an, als sie den Strand betreten hatte. Hin- und hergerissen zwischen diesen unvertrauten süßen Empfindungen, die er in ihr weckte, und dem Mahnen ihres Verstandes, der sie davor warnte, sich in Illusionen zu verlieren. Sie war eine alte Jungfer, ein verdorrter Ast. Ungewolltes, ungeliebtes und unerwünschtes Strandgut in Locronan.
    Unter der Berührung des erfahrenen, schmeichelnden Mundes verwandelte sich jedoch alles. Plötzlich gab es Wärme, Zärtlichkeit, eine Fülle der wunderbarsten Gefühle, die ihr das Blut schneller durch die Adern kreisen ließen und die Glieder

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