Zaduks Schädel
Sie ahnen nicht, welch einen Wirbel es gibt, wenn ich mit meiner Mannschaft bei Ihnen erscheine.«
»Das werde ich überleben.«
»Bestimmt.«
»Sie sind also ein Mensch, der die außergewöhnlichen Dinge liebt, Carlotta?«
Für einen Moment schaute sie in seine Augen. Etwas zögernd gab sie die Antwort. »Eigentlich ja. Alles Spießige ist mir suspekt. Ich mag Menschen, die das Besondere lieben, die leben können, die das Leben genießen. Die aber auch hinter die eigentlichen Dinge schauen können, wenn Sie verstehen, was ich meine?«
»Nein.« Die Haut auf Carlottas Wangenknochen zuckte. Sie fühlte sich irritiert, schaute auf ihre Schuhe, deren Absätze sie größer erscheinen ließen. Auf dem roten Leder blinkten vereinzelte Straßperlen. »Was wollten Sie damit sagen, Naldo?«
»Ich hatte versucht, Sie auf das hinter dem Normalen liegende anzusprechen.«
»Aha.«
»Es gibt metaphysische Gesetze, denen wir uns unterworfen haben, ohne es zu merken.«
»Aha.«
Er lachte. »Sie haben mich nicht begriffen, das weiß ich. Es ist auch nicht tragisch.« Er trank das Glas leer. »Ich frage Sie jetzt direkt. Sind Sie bereit, mit mir das Außergewöhnliche zu erleben?«
»Wann?«
»Heute. Jetzt, noch in dieser Nacht. Es wird gleich etwas geschehen, das Ihnen den Atem raubt. Sie werden eine Situation erleben, die Sie niemals vergessen. Nur sind Sie im Gegensatz zu den anderen Gästen darauf vorbereitet.«
»Wirklich? Dann ist es keine Überraschung mehr?«
»Es bleibt trotzdem eine.« Er schaute an Carlotta vorbei, die ebenfalls das Glas leerte, den Kopf schüttelte und meinte, daß es genug Champagner war, den sie getrunken hatte.
Naldo gab darauf keine Antwort. Sein Blick schweifte über die Weite des Himmels, und sein Gesicht bekam einen angespannten Ausdruck. Die Augen wurden hart und lauernd, und plötzlich schrak er zusammen, wobei er gleichzeitig tief Luft holte. »Was haben Sie, Naldo?«
»Carlotta!« Er lachte rauh. »Ich habe Ihnen gesagt, daß Sie etwas Ungewöhnliches, Unglaubliches erleben werden. Tun Sie mir den Gefallen, drehen Sie sich um!«
»Gern.« Sie lachte leise, ahnte nichts Böses und machte noch auf der Stelle kehrt.
Beide schauten in dieselbe Richtung. Und beide sahen den gewaltigen Totenschädel am Himmel…
Er hatte geahnt, daß Carlotta nach dieser Entdeckung schreien würde, was er zu verhindern verstand. Blitzschnell legte er seine Handfläche auf ihren Mund.
Carlotta roch den Rauch, der sich an seinen Fingern festgesetzt hatte. Sie schluckte, und seine flüsternde Stimme wisperte die Worte in ihr Ohr.
»Ganz ruhig, Signora. Wir wollen den anderen doch nicht den Spaß verderben. Bene?«
Sie nickte.
Naldo ließ die Hand sinken und hörte, daß sie tief und fest durchatmete. Sehr rasch hatte sich die Frau wieder gefangen und schaute dorthin, wo sich der Schädel so scharf von dem dunklen Himmel abzeichnete, als hätte man ihn gemalt.
»Mein Gott — was ist das?«
»Zaduk!« erwiderte er leise. »Das ist der Schädel des Zaduk.«
»Den Namen habe ich noch nie gehört. Wer ist Zaduk? Ein Monstrum, eine Halluzination?«
»Er ist echt.«
»Ja, aber…«
»Und er ist mehr als zehntausend Jahre alt. Er stammt aus dem langst versunkenen Kontinent Atlantis. Er wird uns mitnehmen, uns entführen in Wunderwelten, wie Sie noch nie welche gesehen haben. Ich kann Ihnen nur sagen, daß Sie noch heute Dinge erleben werden, die Sie selbst in Ihren Träumen nicht für möglich gehalten hätten. Es ist einfach grandios, es ist eine andere Welt.«
Carlotta tastete nach der Hand ihres Begleiters und hauchte: »Ich habe Angst. Ja, ich habe schreckliche Angst vor diesen Dingen. Ich… ich will nicht.«
»Doch, Sie müssen.«
»Und wenn ich fliehe?«
»Das wird Ihnen nicht gelingen. Nein, es kann niemand von hier fliehen, glauben Sie mir. Nicht Sie, nicht ich, nicht die anderen. Er wird uns alle holen.«
Carlotta drängte sich an Cabrini. Seine Sicherheit erschreckte sie, dennoch blieb sie bei ihm. »Das ist eine Spiegelung, möglicherweise auch ein Hologramm. Wie haben Sie das geschafft, Naldo? Bitte, verraten Sie es mir.«
»Nichts von beidem, Carlotta. Es ist weder künstlich noch ein Hologramm oder was immer Sie auch meinen. Der Schädel ist eine Tatsache, er ist echt, Signora. Er stammt aus einer anderen Zeit und hat es geschafft, die Vergangenheit zu überwinden.«
Carlotta wußte nicht, was sie sagen sollte. Sie hatte schon viel erlebt und auch an außergewöhnlichen Feten
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