Zaertlich beginnt die Nacht
…
„Barbieri!“
Nicolo verdrängte die grimmigen Gedanken, sah in die entsetzten Gesichter seiner Freunde – und stellte fest, dass er das Glas in seiner Hand zerdrückt hatte.
Scherben lagen in einer Whiskeypfütze auf dem Tisch.
„Merda“ , knurrte er und wischte hastig mit einer Serviette die Reste seines Drinks auf.
„Lass nur, das ist doch unwichtig. Hast du dich verletzt?“
Hatte er? Er sah auf seine Hand. „Nein, nicht einmal ein Kratzer.“ Er zwang sich zu einem Lachen und streckte die Hand aus. „Entspann dich, Reyes, ich werde dich schon nicht verklagen.“
„ Amigo , ich glaube nicht, dass ich derjenige bin, der sich entspannen muss. Da ist eine Frau mit im Spiel. Und erzähl nicht wieder den Unsinn von einem Meeting. Du brauchst den Stress einer harten Verhandlung, erst dann läufst du zur Hochform auf.“
Aus einem ersten Impulsiv heraus wollte Nicolo das Gegenteil behaupten, doch das wäre unsinnig. Diese Männer kannten ihn durch und durch. Gespielt gleichgültig zuckte er mit einer Schulter. „Zugegeben. Aber ich komm drüber hinweg.“
„Natürlich wirst du das.“ Lucas lehnte sich verschwörerisch vor. „Und ich kann dir auch das wirksamste Gegenmittel verraten. Also, wenn dir eine Frau im Kopf umherspukt, dann treibst du sie am besten aus mit …“
„Hallo, Lucas, Darling“, schnurrte da eine lockende Stimme. „Hier bist du. Wir haben dich schon überall gesucht.“
Fünf Frauen tauchten neben dem Tisch auf, alle umwerfend, alle mit einem strahlenden Lächeln auf dem Gesicht, als hätten sie soeben das verlorene Gold der Inkas gefunden.
„Siehst du“, flüsterte Lucas Nicolo zu, „genau das meine ich.“
Warum nicht, dachte Nicolo.
Stühle wurden herangezogen, Lucas übernahm die Vorstellung, Champagnerkorken knallten.
Wenig später drehte eine der Frauen – sie hieß Vicki – sich zu Nicolo. „Lucas sagte, Sie gehören zum Adel.“
Nicolo sah über ihre Schulter zu seinem Freund. Der grinste und blinzelte ihm zu. „Lucas ist ein Komiker.“
„Ich bin auch berühmt.“ Vicki lachte perlend. „Ich meine, noch nicht richtig, aber bald. Vielleicht haben Sie mich schon gesehen. Ich habe mitgespielt in …“
Eine Aufzählung von Theaterstücken folgte. Vielleicht waren es auch Fernsehshows. Oder irgendetwas anderes. Die Titel sag ten Nicolo nichts, und es war ihm auch egal. Unauffällig schaute er auf seine Armbanduhr. Wann konnte er sich absetzen, ohne die Lady zu beleidigen oder seinen Freunden den Abend zu verderben?
Nicht, dass die Frau nicht gut aussehen würde. Sie war hübsch und lächelte viel. In diesem Moment legte sie ihre Hand auf seinen Arm. Stellte all die Fragen, die ein Mann gern beantwortete.
Es war das uralte Spiel, er selbst hatte es oft genug gespielt. Der Ausgang stand von vornherein fest. Und war eigentlich immer anregend.
Erstaunlich anregend.
Sein Blut begann schneller zu fließen. Damian und Lucas hatten recht. Genau das brauchte er jetzt. Eine schöne, willige Frau. Ein Spiel mit einem bekannten Ende. Eine amüsante Nacht.
War es nicht schlimm genug, dass die Frau mit den violetten Augen ihn schon einmal zum Narren gemacht hatte? Wollte er zulassen, dass sie es wieder tat, indem er ablehnte, was ihm so bereitwillig angeboten wurde?
Nicolo schob seinen Stuhl zurück, nahm Vickis Hand. „Tanzen Sie mit mir.“
Er führte sie die Stufen hinunter zur Tanzfläche. Salsa-Musik dröhnte aus den Lautsprechern, der Rhythmus fast so sexy wie Vickis lockender Körper, der sich beim Tanzen leicht an seinem rieb.
Es fühlte sich gut an.
Nein, nicht gut. Es war der falsche Körper. Das falsche Gesicht, das ihn anlächelte. Die falschen Augen, die ihn verlangend anblickten.
Basta , dachte Nicolo angewidert, legte die Arme um die Frau und zog sie eng an sich heran, als die Musik schwül und langsam wurde.
Sie schmiegte sich an ihn, als hätte sie nur auf die Einladung gewartet. Ihr Haar kitzelte ihn an der Nase. Es klebte und roch nach Haarspray.
Die goldenen Locken waren weich gefallen und hatten zart nach Regen geduftet …
„Es ist schrecklich laut hier drinnen, nicht wahr?“ Vickis Atem strich warm über sein Ohr.
Nach den Spielregeln müsste die nächste Zeile jetzt lauten: Warum gehen wir nicht irgendwohin, wo es ruhiger ist ? Eigentlich müsste er das sagen. Obwohl, in der heutigen Zeit der Gleichberechtigung …
„Warum gehen wir nicht irgendwohin, wo es ruhiger ist?“, flüsterte Vicki ihm zu.
Nicolo räusperte
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