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Zaertlich ist die Nacht

Zaertlich ist die Nacht

Titel: Zaertlich ist die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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habe kaum Geld. In amerikanischem Geld sind es zweihunderttausend Dollars. Die innova-to-rischen«   – er tastete sich langsam an die Formulierung heran   – »Schritte, die sicher auch in deinem Sinne notwendig sind, kosten bestimmt noch einmal zwanzigtausend amerikanische Dollar. Aber die Klinik ist eine Goldgrube   – das sage ich dir. Ich habe die Bücher gesehen. Wenn wir zweihundertzwanzigtausend Dollar investieren, haben wir ein garantiertes Einkommen von   –«
    |270| Babys Interesse war so offensichtlich, dass Dick sie mit ins Gespräch zog. »Baby«, fragte er, »hast du auch die Erfahrung gemacht, dass es unweigerlich um Geld geht, wenn ein Europäer einen Amerikaner ganz
dringend
sprechen will?«
    »Wie bitte?«, sagte sie unschuldig.
    »Dieser junge Privatdozent hier ist der Ansicht, dass wir groß ins Geschäft kommen können, wenn wir uns um Nervenzusammenbrüche aus Amerika kümmern.«
    Franz starrte Baby beunruhigt an, als Dick fortfuhr: »Aber wer sind wir denn, Franz? Du trägst einen großen Namen, und ich habe zwei kleine Lehrbücher geschrieben. Genügt das, um irgendjemand anzulocken? Außerdem habe ich nicht so viel Geld   – nicht mal ein Zehntel der Summe.« Franz lächelte zweifelnd. »Nein, ehrlich, ich habe es nicht. Nicole und Baby sind reich wie Krösusse, aber bisher hab ich noch nichts davon in die Finger gekriegt.«
    Jetzt hörten sie alle zu   – Dick fragte sich sogar, ob das Mädchen am Tisch hinter ihnen wohl auch zuhörte. Die Vorstellung fand er irgendwie reizvoll. Er beschloss, Baby an seiner Stelle sprechen zu lassen, so wie man Frauen gelegentlich über Dinge reden lässt, die gar nicht in ihrer Hand liegen. Und plötzlich wurde sie zu ihrem Großvater: risikofreudig und kühl.
    »Ich glaube, das ist ein Vorschlag, Dick, über den du sorgfältig nachdenken solltest. Ich weiß nicht, was Doktor Gregory genau gesagt hat, aber es scheint mir   –«
    Hinter ihm hatte sich das Mädchen in einem Rauchwölkchen vorgebeugt und hob etwas vom Boden auf. Nicoles Blicke von der anderen Seite des Tisches hingen an seinem Gesicht   – ihre Schönheit brauchte ein Nest, um sich zeigen zu können, und wie immer ergab sie sich in seine Liebe, die bereitstand, um sie zu beschützen.
    |271| »Denk drüber nach, Dick!«, drängte Franz aufgeregt. »Wenn man über Psychiatrie schreibt, braucht man praktische klinische Erfahrungen. Jung schreibt, Bleuler schreibt, Freud schreibt, Forel schreibt, Adler schreibt   – aber sie haben alle auch ständig mit seelischen Störungen zu tun.«
    »Dick hat ja mich«, lachte Nicole. »Ich glaube, da hat er genug seelische Störungen für einen einzelnen Mann.«
    »Das ist etwas anderes«, sagte Franz vorsichtig.
    »Wir müssen sorgfältig darüber nachdenken«, sagte Baby. Wenn Nicole in der Nähe einer Klinik lebte, brauchte sie sich keine Sorgen mehr um sie zu machen.
    Obwohl er Babys unverschämte Einmischung ganz amüsant fand, hatte Dick keine Lust, sie darin zu bestärken. »Diese Entscheidung betrifft
mich
«, sagte er sanftmütig. »Aber es ist nett von dir, dass du mir eine Klinik kaufen willst.«
    Als ihr bewusst wurde, dass sie zu weit gegangen war, zog sie sich hastig zurück. »Natürlich ist das ganz allein deine Sache.«
    »Ich werde einige Zeit brauchen, um so eine wichtige Entscheidung zu treffen. Ich weiß nicht, ob ich Nicole und mich so lange auf Zürich festlegen will   –« Er wandte sich zu Franz um: »–   ich weiß, es gibt ein Gaswerk in Zürich, und fließend Wasser und elektrisches Licht   – ich hab ja drei Jahre da gelebt.«
    »Ich lasse euch gern darüber nachdenken«, sagte Franz. »Ich bin zuversichtlich   –«
    Hundert Paar pfundschwere Stiefel polterten auf den Ausgang zu, und sie schlossen sich dem Gedränge an. Draußen im klaren Mondlicht sah Dick, wie das junge Mädchen seinen Schlitten an einem anderen festmachte. Sie zwängten sich in ihren eigenen Schlitten, und als die Peitsche |272| knallte, legten die Pferde sich ins Zeug und stemmten sich gegen die schwarze Luft. Junge Leute rannten links und rechts durch die Nacht, schubsten sich von den Schlitten, landeten im weichen Schnee, keuchten den Pferden hinterher, um sich erschöpft wieder auf einen anderen Schlitten fallen zu lassen oder zu jammern, weil man sie zurückließ. Die Wiesen auf beiden Seiten waren wohltuend still, und der hohe Raum, durch den sich die Kavalkade bewegte, schien grenzenlos. Draußen im offenen Gelände verstummte

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