Zärtlich verführt
angewöhnt,
dann einfach nur zu lächeln und zu nicken. Es war nicht so, dass
sie ihre Familie nicht liebte. Aber sie hatte es schon vor langer
Zeit aufgegeben, ihren Eltern und ihrem Bruder gefallen zu wollen.
Und
als wenn das gemeinsame Abendessen nicht schon schlimm genug wäre,
hatten ihre Eltern sie auch noch ganz aufgeregt darüber
informiert, dass sie Matt heute Abend zum Essen eingeladen hatten. In
Anbetracht der Begeisterung ihrer Eltern und der aufwändigen
Mahlzeit, die ihre Mutter zubereitet hatte, hätte man glauben
können, der Präsident der Vereinigten Staaten würde
persönlich zu Gast sein. Emily hatte nicht mehr mit Matt
geredet, seit er gestern Abend ihr Apartment verlassen hatte. Und
auch wenn sie es sich nur ungern eingestand, hatte sie doch gehofft,
dass er zurückkommen würde. Kurz nachdem er gegangen war,
hatte sie sich ins Bett gelegt. Sie hatte es sich nicht erklären
können, aber sie hatte sich einsam gefühlt. Jedes Mal, wenn
sie gehört hatte, dass ein Auto vorbeifuhr, hatte sie den Atem
angehalten und darauf gewartet, draußen seine Schritte zu
hören. Aber er war nicht gekommen. Und obwohl sie sich dafür
hasste, hatte sie ihn vermisst.
Als
sie noch Kinder gewesen waren, und Matt zusammen mit ihrer Familie
die Sommerferien verbracht hatten, hatte er bei ihnen im Ferienhaus
gewohnt. Damals waren Emily und er manchmal die ganze Nacht
aufgeblieben. Nachdem alle anderen ins Bett gegangen waren, hatten
sie es sich im Patio auf den Liegestühlen bequem gemacht und bis
zum Sonnenaufgang miteinander geredet. Sie hatten so gut wie alles
voneinander gewusst. Emily hatte Matt für das, was zwischen
ihnen in dieser Nacht am Strand passiert war, nie die Schuld gegeben.
Sie hatte es, ohne groß darüber nachzudenken, einfach
zugelassen. Bereut hatte sie im Nachhinein nur, dass dadurch ihre
Freundschaft zu Ende gewesen war. Doch es war zu viel Zeit vergangen,
und sie beide hatten sich zu sehr verändert, um noch einmal von
vorn anzufangen.
Sicherlich
sah er noch so aus und benahm sich manchmal sogar genauso wie der
alte Matt. Aber abgesehen von diesen Äußerlichkeiten, war
er ein anderer Mensch geworden. Als Emily nach seinem Weggang über
den ersten Schock hinweggekommen war, hatte ihr Herz langsam zu
heilen begonnen. Und nach einer gewissen Zeit hatte sie sogar
aufgehört, Matt zu vermissen. Doch als er wieder aufgetaucht
war, war auch ihre Sehnsucht nach ihm zurückgekehrt.
Auf
dem gepflasterten Weg hinter sich hörte sie Schritte. Schwere
Schritte, was darauf hindeutete, das die Person wahrscheinlich
männlich und groß war. Einssechsundachtzig groß und
neunzig Kilo schwer – das meiste davon Muskeln – wenn
ihre Erinnerung sie nicht täuschte. Sie schloss die Augen und
hoffte inständig, dass es jemand anders sein würde.
"Das
Abendessen ist fast fertig." Matts tiefe Stimme verursachte ihr
trotz der Hitze eine Gänsehaut. "Deine Mom hat mich
geschickt, dich zu holen."
"Richte
ihr aus, dass ich jeden Moment da sein werde."
"Emily,
nun komm schon", sagte er nach einer kurzen Pause. "Du
könntest mich zumindest ansehen."
Beklommen
drehte sie sich langsam zu ihm um. Matt stand hinter ihr, die Hände
lässig in die Hosentaschen gesteckt. Sein Anblick ließ sie
ganz schwach werden, so attraktiv war er. Seine Haare waren wieder
feucht, offenbar hatte er vor kurzem geduscht. Durch den Wind nahm
sie einen Hauch seines Rasierwassers wahr, was ihre Aufmerksamkeit
auf sein markantes Kinn und seinen Mund lenkte. Und dann fiel ihr
ein, was er mit diesem Mund alles mit ihr angestellt hatte. Sehr
intime Dinge, die sie jetzt noch zum Erröten brachten. Insgesamt
wirkte Matt sehr maskulin und gefährlich, auch wenn er ein
konservatives Poloshirt und die dazu passende Hose anhatte. Wie war
es möglich, dass ein Mann Sachen von Ralph Lauren trug und dabei
so rücksichtslos und sexy wirkte?
Er
sah sie reumütig an. "Ich habe es gestern Abend
vermasselt."
Das
überraschte sie. Es klang viel zu sehr nach dem, was der alte
Matt gesagt hätte. Wag es nicht, nett zu mir zu sein, hätte
sie fast gesagt. Sie wollte ihn dafür hassen, dass er sie nicht
geliebt hatte und verschwunden war. Aber wie sollte sie ihn dafür
hassen, wenn er ehrlich war? Plötzlich fühlte sie sich
nackt und verletzlich in ihrem Tank Top und den Shorts, was wirklich
lächerlich war, Denn sie trug oft ganz ähnliche Sachen und
hatte sich darin noch nie nicht richtig angezogen gefühlt.
Vielleicht lag es an der Art, wie Matt sie
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